Ein wahrer Meister!

2. März 2011 Rosemarie Schmitt
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Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wie bedauerlich, denn ich hätte nichts dagegen wenn dies geschähe und Johann Friedrich Meister vom Himmel gefallen käme. Und dabei hat just in jenem Jahr, als J. F. Meister geboren wurde, Galilei die Gesetze über den freien Fall veröffentlicht. Johann Friedrich Meister, ja, ich wünsche er käme und würde sich Ihnen allen vorstellen und sich bekannt machen. Ich wette, er würde der bekannteste Unbekannte!

Bis es jedoch soweit ist mit dem von mir gewünschten Himmelfallkommando, stellt Ihnen jemand die Musik von Johann Friedrich Meister vor. Wer, wenn nicht Reinhard Goebel und sein wunderbares Ensemble "Musica Antiqua Köln" bietet Musikliebhabern diese Möglichkeit? Wer das Besondere liebt, kommt an Goebel und seinen Musikern nicht vorbei. Ich bedauere sehr, daß dieses Kollektiv sich auflöste. Das EDEL-Label Berlin-Classics veröffentlichte nun deren letze Aufnahme, die 5 Sonaten "Il giardno del piascere" (Der Lustgarten).

Johann Friedrich Meister wurde 1638 in Peine bei Hannover geboren, im gleichen Jahre also wie der Sonnenkönig Ludwig XIV. Es war ebenfalls das Jahr, in dem das erste Nationaltheater Europas eröffnet wurde, das Schauspielhaus in Amsterdam. Etwa zeitgleich wurde den Engländern eröffnet, daß die Folter abgeschafft sei.

Meisters Musik hat durchaus sehr viel Ähnlichkeit mit der Johann Sebastian Bachs. Weshalb er und seine Werke nicht mehr Berühmtheit erlangten, ist mir ein Rätsel. Wenn Sie seine Sonaten hören, werden Sie nicht anders können als mir zuzustimmen wenn ich behaupte, daß diese eine ungeheure kompositorische Tiefe haben. Nur allzu gerne hätte ich weiteres von Meister kennen gelernt, doch leider sorgten unter anderem auch die Dauerkriege, die sich Europa leistete dafür, daß solche ungeheuer wichtigen kulturellen Zeugnisse für immer verloren sind. Wir verloren, was wir nie besaßen.

Doch abgesehen von nicht vorhandenem Notenmaterial sind kaum Informationen über Meister zu finden. Wurde er bereits zu Lebzeiten nicht gebührend geehrt? Wäre er ein "echter" Zeitgenosse Bachs gewesen, läge die Vermutung nahe, er habe in dessen Schatten komponiert. Doch als Bach sein erstes Werk komponierte (eine Fuge in e-moll für Klavier), war Johann Friedrich Meister bereits etwa 60 Jahre alt. Als Meister starb, war Johann Sebastian Bach 12.

1697 trug man den Herrenhut unter dem Arm und die Vornehmen in einer Sänfte. Johann Joachim Quantz wurde Komponist und Flötist, doch zuvor wurde er in jenem Jahr geboren. Auch der englische Maler William Hogarth erblickte das Licht der Welt (Sie erinnern sich an sein Gemälde "Die Gesellschaft der Leichenbestatter"?) und Georg Händel, der Vater von Georg Friedrich, starb. Peter der Große startete zu einer Europareise und begann in Amsterdam eine Zimmermannslehre. August der Starke wurde Katholik und König von Polen. Johann Friedrich Meister starb und wurde vergessen.

Kurze Zeit nach der hier vorgestellten Aufnahme der Meister-Sonaten war das Ensemble "Musica Antiqua Köln" gezwungen, seine Arbeit zu beenden. Dies bedauere ich außerordentlich und gleichzeitig bin ich dankbar für die wunderbaren Einspielungen, die uns diese Musiker hinterließen. Dieses "Meister-Werk" bildet einen würdigen Abschluss der Diskographie von Musica Antiqua Köln. Wie ich bereits sagte, wenn Sie das Besondere lieben, so kommen Sie an Goebel und seinen Musikern nicht vorbei, und auch nicht an Johann Friedrich, der Meister,der, so Gott will, doch eines Tages vom Himmel fällt.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt