Ein Stillleben ist ein wirkliches Leben

Seit 2004 entstanden die Video Portraits des Bühnenbildners und Multikünstlers Robert Wilson. Es handelt sich dabei bis jetzt um ca. 60 Portraits von Personen aus unterschiedlichsten Bereichen - hauptsächlich Film, Musik, Theater, aber auch anonyme Menschen, wie Automechaniker etc. kommen zu Wort.

Allen gemeinsam ist, dass sie einen starken Bezug zu einer Welt haben, die intensiv von einer populärkulturellen Ästhetik beeinflusst ist. Was einst als Gegenkultur gedacht war, ist zum festen Bestandteil unserer kapitalistischen Weltordnung geworden und erzwingt ein bestimmtes Rollenverhalten quer durch alle Generationen und Kulturkreise. Heute ist alles Pop - Dita von Teese genauso wie Johnny Depp oder der Automechaniker. Die Soundtracks zu den Portraits kommen meist von Musikern und Bands wie Lou Reed, Tom Waits oder Big Black.

"Die Videoportraits kann man im Sinne der drei traditionellen Methoden, wie Künstler Räume konstruieren, sehen. Halte ich meine Hand vor mein Gesicht, kann ich behaupten, sie sei ein Portrait. Sehe ich meine Hand aus einiger Entfernung, kann ich sagen, sie sei Teil eines Stilllebens, sehe ich sie vom gegenüberliegenden Straßenrand aus, kann ich sagen, sie sei Teil einer Landschaft. Indem wir diese Räume konstruieren, sehen wir ein Bild, das wir als Portrait verstehen können. Wenn wir es genau betrachten, ist dieses Stillleben ein wirkliches Leben. Und wenn wir darüber nachdenken und lange genug hinschauen, werden die geistigen Räume in gewisser Weise zu geistigen Landschaften.

Diese Portraits entwickelten sich aus einer Arbeit, die ich in den 1970er Jahren schuf. Ich gestaltete verschiedene Portraits, darunter waren der surrealistische Autor Louis Aragon, die Gesellschaftsdame Helene Rochas, eine Ente, ein Priester, den ich in einer Bar traf, Museumsdirektor Pontus Hulten, Sony CEO Akito Morita und der französische Kulturminister Michel Guy. Diese Portraits waren im Fernsehen, in Galerien, Museen, U-Bahnstationen, Hotellobbys, Flughäfen zu sehen, und sogar am Zifferblatt einer Armbanduhr. Ich stelle mir vor, dass die VOOM Portraits im öffentlichen Raum genauso wie zuhause angesehen werden sollten. Zuhause sind sie quasi wie ein Fenster im Raum oder ein Feuer im Kamin.

Oft werde ich gefragt: "Welche Idee steckt hinter diesen Bildern?" Ich interpretiere meine Arbeit nicht. Das ist die Aufgabe der anderen. Wenn man einem Werk eine bestimmte Bedeutung zuschreibt, wird dessen Poesie eingeschränkt und es wird der Möglichkeit neuer Gedanken beraubt. Es handelt sich um subjektive, poetische Aussagen über verschiedene Persönlichkeiten. Ein Mann von der Straße, ein Kind, Superstars, die Götter unserer Zeit." Robert Wilson

Die Arbeiten von Robert Wilson (geb. 1941 in Waco, Texas, lebt in New York) vereinen eine breitgefächerte Vielfalt an künstlerischen Medien wie Bewegung, Tanz, Licht, Bühnendesign, Skulptur, Musik und Text zu einem perfekten Ganzen. All seine Erfahrungen als Bild- und Objektkünstler, als Bühnenbildner und Regisseur, als Choreograf und Kurator hat er in seinen "Voom"-Videoportraits seit 2004 konzentriert. Die portraitierten Persönlichkeiten – darunter Johnny Depp, Isabella Rossellini, Jeanne Moreau, Salma Hayek, Brad Pitt, Willem Dafoe, aber auch Unbekannte und Tiere – verweisen sowohl auf eigene biografische wie auch auf kulturgeschichtliche Quellen. Sie sind sowohl konstruiert wie authentisch, biografisch wie soziografisch, Portraits eines Lebens wie eines Mediums oder einer Epoche.

Weil die Portraitierten in unser visuelles Gedächtnis eingeschrieben sind, erzählen die Portraits nicht nur vom Leben der abgebildeten Persönlichkeiten, sondern auch von unserer Geschichte. Die Portraits sind Geschichte. Ebenso die Dichter und Musiker, mit denen er kooperierte, u.a. mit William S. Burroughs, Tom Waits, Laurie Anderson, Marianne Faithfull, David Byrne oder Lou Reed. In der Geschichte der Portraitmalerei und des fotografischen Portraits, insbesondere der inszenierten Fotografie, stellen Wilsons inszenierte Videoportraits nicht nur einen Höhepunkt der Vollendung dar, sondern vor allem auch eine Methode, die wegweisend ist. Seine innovative Bildsprache kreiert eine Welt, zwischen chaplinesk und kafkaesk, aber immer "absolutely Wilson".


Robert Wilson - Voom Portraits
20. Juni bis 6. September 2009