Ein philosophischer Nachruf auf das Gemeinsame bei den Montforter Zwischentönen

Beim Begräbnis in Feldkirch wurde das Gemeinsame nicht zu Grabe getragen, weil es gestorben ist – nein, es ist einfach verschwunden. Der Philosoph Philipp Blom hielt die Trauerrede, die Schauspielerin Sophia Burtscher sprach Lesung und Fürbitten, begleitet von entrückender Musik des Duo MA.ORI, im zur Ruhe und Andacht versetzenden Ambiente der Marte.Marte Architekten.

Ein stark wirksamer Raum im Alten Hallenbad: Die Bühne an die Außenwand gegenüber dem Eingang geschmiegt, ein großer Platz davor, rechter Hand ein Kreuz, gebildet aus lilafarbenen Lichtfeldern, auf der anderen Seite abstrahierte Unendlichkeit – das macht etwas mit dem Publikum, das in drei Blöcken so weitläufig angeordnet ist. Wie auch die Musik von Ulrich Maiss (Cello, Electronics) und Paolo Eleodori (Drums, Percussions) die in noch nie so gehörte Klangsphären leitet.

Zum Festivalthema "Verlieren“ wurde 2020 ein bedeutungsvolles Format mit Auftrags-Nachrufen entwickelt. Trauerreden sind finale Lobreden und dabei werden meist Qualitäten erst richtig bewusst, wenn man gerade im Begriff ist, diese zu verlieren. Das Gemeinsame sei an Vernachlässigung verkümmert, meint der Philosoph, wir merken erst später, was für einen immensen Verlust wir erlitten haben. Und das Gemeinsame sei vor allem ein Gefühl nicht ausgeschlossen zu sein, "es war schon vor uns da, hat uns geformt, gestützt, hat uns Zugehörigkeit gegeben, hat uns zu dem gemacht, was wir sind, und dann ist es verschwunden, zerbröckelt …". Im Laufe der Zeit habe es mehrmals seine Gestalt verändert, zur Anschaulichkeit gibt Philipp Blom Beispiele: wie die Wandlung der leiblichen Dimension von Körper zu Bildschirm, denn diese Übersiedelung habe der Gemeinsamkeit nicht gutgetan, wie man an Buch zu Smartphone beobachten kann. 

Nach den meditativen Intermezzi kommen stehts die Fürbitten: Wir bitten um Auferstehung des Gemeinsamen. Wir bitten um intelligente Fragen und Debatten in Sachen Gemeinsamkeit. Wir bitten um Raum für Begegnung, ganz analog. Wir bitten um das Gemeinsame, Schöne, Wahre und Gute. Cello Solo – verklingt im Raum. Was für ein würdiges Begräbnis.

 

Philipp Bloms Bücher wurden in 16 Sprachen übersetzt. Radiohörer:innen ist der Philosoph als Moderator der Ö1-Diskussionssendung "Punkt eins" bekannt. 2018 hielt Blom die weithin beachtete Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen. In Hamburg geboren, lebt er heute in Wien. Er hat Philosophie, Judaistik und moderne Geschichte in Wien und Oxford studiert und in London als Journalist und Übersetzer gearbeitet.
Duo MA.ORI. Dahinter verbergen sich Ulrich Maiss (Cello & Electronics) und Paolo Eleodori (Drums & Percussions). Ihre musikalischen Wurzeln stammen aus Klassik und Jazz. Ohne diese zu verleugnen, bewegt sich MA.ORI aber weit ab von ausgetretenen musikalischen Pfaden. Improvisation und das Erforschen außergewöhnlicher Klangwelten stehen im Mittelpunkt.
Sophia Burtscher ist in Bregenz geboren und aufgewachsen. Sie studierte Schauspiel am Mozarteum Salzburg und an der Goldsmiths University in London. Am Schauspiel Köln arbeitete sie u.a. mit Regisseur:innen wie Frank Castorf, Charlotte Sprenger, Ersan Mondtag und Stefan Bachmann zusammen. Seit 2022 lebt sie freischaffend in Berlin. Neben der Schauspielerei ist sie Sängerin ihrer Band Trope Ashes.
Marte.Marte Architekten Die Brüder Bernhard und Stefan Marte gehören zu den international erfolgreichsten Baukünstlern des Landes. Ihre Entwürfe sind geprägt von rigider Abstraktion, Reduktion und einem untrüglichen Verständnis für den jeweiligen Ort. Zahlreiche Wettbewerbserfolge und internationale Preise belegen den Stellenwert des in Feldkirch beheimateten Büros.