In der beschaulichen Berglandschaft Toggenburgs hat sich nach zwanzig Jahren Durchhaltevermögen und Überzeugungsarbeit einzelner Visionäre wahrlich ein Luftschloss in einem begeh- und bespielbaren Resonanz(bau)körper manifestiert, in einer Architektur für Kunst und Kultur. „Gut Ding braucht Weil“, könnte man sagen, denn ursprünglich hatte der Kanton St. Gallen den Auftrag direkt an Peter Zumthor übergeben. Nach einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht musste jedoch ein Wettbewerb ausgeschrieben werden, an dem der Pritzker-Preisträger nicht mehr teilnehmen wollte, 91 Architekturbüros aus dem In- und Ausland jedoch sehr wohl.
Schlussendlich gewannen die Zürcher Architekten Marcel Meili und Markus Peter (2010), es folgte der lange politische Entscheidungsprozess: 2016 scheiterte eine erste Bauvorlage in der Schlussabstimmung im Kantonsrat. Erst drei Jahre später sprach sich das Stimmvolk für den Bau des Klanghauses mit Kosten von 22,3 Millionen Franken aus. Doch 2019 starb Marcel Meili und die Umsetzung des Projekts wurde an Astrid Staufer aus dem Büro Staufer & Hasler in Frauenfeld übertragen, die schon beim Entwurf eng mit dem Architekten zusammengearbeitet hatte. Voraussetzung für den Neubau war auch, das ehemalige Hotel Seegüetli abzureißen und die Straße nach Wildhaus etwas zu verlegen.
Unmittelbar und mächtig erhebt sich nun die geschwungene holzgeschindelte Skulptur nach der letzten Kehre auf der Anhöhe. Ganz unauffällig fügt sich die Zugangstüre in einer der Einbuchtungen – jener zum Vorplatz – ein. Dies soll auch kein Konzerthaus sein, sondern ein Gefäß zur Erprobung alter und neuer Formen von Musik, Klang und Gesang. Es ist ein begehbares Instrument, ein Resonanzkörper, ähnlich dem Korpus einer Violine. Bei der hochdiffizilen Holzkonstruktion galt das Hauptaugenmerk in jedem Detail dem Klang, doch die Form ist genauso durch die Landschaft bestimmt. In drei Flügeln öffnet sich das Gebäude zum Schafberg, zum Schwendisee und ins weite Tal. Mit dem paraboloiden Schwung der Hauswände wird jedoch die Natur mit ihren Tönen auf den zwei Außenbühnen auch wieder eingefangen.
Das Toggenburger Klanghaus ist ein Musiklabor, eine Werkstatt, in dem sich die Naturtonmusik der Älpler mit musikalischen, zeitgenössischen Experimenten fusioniert. Der zentrale, zweigeschoßige Raum wird mit den Resonanzkammern, Krümmungen, Schrägstellungen zum akustischen Meisterwerk. Die Ornamente der Holzabdeckung erinnern an jene eines Hackbretts, dahinter kann vielfältig fein-eingestellt, erforscht und wie bei einem Instrument gestimmt werden. Zwei raumhohe Tore schalten – wenn sie aufgeschoben werden – auch den bergseitigen Flügel dem Hauptraum zu. Dann fließt die Natur mit ihrer Lichtstimmung ins Innere und es wird weitläufiger. Versteckt, doch akustisch wirksam, ist der sakral anmutende, enge, stark geschwungene „Hallraum“, dort steht ein Klavier. Zwei weitere unabhängig bespielbare Räume stehen für Workshops, Symposien etc. zur Verfügung und ein sehr reizvoll mit dem Saal verbundener Übungsraum im ersten Stock.
Ab Mai 2025 ist die Klangwelt Toggenburg geöffnet und Gelegenheit diesen Ort zu begreifen, die akustischen Wunderkammern auszureizen und das Klanghaus zum Schwingen zu bringen.