Ein junger Wilder begeistert Wien

Er war ein Meister aller Klassen: ein grandioser Kolorist, dessen sinnliche und effektvolle Malerei das Wiener Publikum begeisterte. Heute ist Josef Engelhart (1854 – 1941) ein weitgehend Unbekannter. Doch um 1900 war er nicht nur einer der erfolgreichsten österreichischen Maler, sondern auch – gemeinsam mit Gustav Klimt, Carl Moll und Koloman Moser – Gründer der Wiener Secession, deren internationale Ausrichtung er wesentlich vorantrieb.

Der Sohn eines Fleischhauers aus Erdberg studierte in Wien und München, ehe er sich 1891/92 in Paris mit der aktuellen französischen Kunst auseinander setzte. Nach dieser kurzen Phase des Experiments kehrte der kompromisslose Verfechter des Naturalismus in seine Heimatstadt zurück, um sich in drastisch-realistischen Bildern dem ärmlichen Leben in den Vorstädten zu widmen. Abseits der "bildwürdigen" Salons fand er hier seine Motive. Mit unverwechselbaren "Wiener Typen" – Strizzis, Marktweiber, Wäschermädel – wurde Engelhart zum populären Chronisten eines verschwindenden Wiener Alltags. Die erste umfassende Werkschau konzentriert sich auf Engelharts große Zeit zwischen 1883 und 1919. Das Wien Museum besitzt aus dem Nachlass Engelharts zahlreiche Hauptwerke dieser schillernden Künstlerpersönlichkeit. Neben Gemälden, Grafiken und Plastiken aus weiteren Museumssammlungen wird in der Ausstellung auch wenig Bekanntes aus Privatbesitz präsentiert – ein vielfältiges Oeuvre gilt es zu entdecken.

Josef Engelhart war kein gefälliger Porträtist der Wiener Gesellschaft. Persönliche Milieustudien bildeten die Grundlage seiner künstlerischen Auseinandersetzung, die von drastischem Realismus geprägt ist. Schon der erste Auftritt des 24jährigen im Wiener Künstlerhaus sorgte für Furore, Publikum und Kritik waren begeistert von dem "packenden" Künstler, der mit unkonventionellen Bildern neue Maßstäbe setzte. Seine Aufenthalte in Paris und Spanien (1889-92) beeinflussten den experimentierfreudigen Maler thematisch wie stilistisch. Eine Reihe kleinformatiger Bilder und Studien zeigen stimmungsvolle Szenen in aufgehellter, lichterfüllter Farbgebung, die sich stark am Impressionismus orientieren. Am Montmartre verbrachte Engelhart ein geselliges Künstlerleben im Kreise neuer Freunde, zu denen Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec zählten. Viele dieser Kontakte konnte er später für die Vernetzung der Secession mit dem internationalen Kunstgeschehen nützen.

Der gesellige Künstler, der wegen seiner attraktiven Erscheinung auch "Apollo von der Steingasse" genannt wurde, gehörte seit jungen Jahren der Hagengesellschaft, einem Kreis befreundeter Künstler, an. Drei Selbstbildnisse – zwei davon sind erstmals öffentlich zu sehen – geben Aufschluss über die Entwicklung seines Selbstverständnisses als weltläufiger Künstler. Der gesellschaftliche Aufstieg wurde 1895 mit der Hochzeit mit Doris (Dorothea), der zweitältesten Tochter des Großindustriellen Ferdinand Mautner von Markhof, besiegelt. Engelharts Haus entwickelte sich zum Ort legendärer Feste und großer Soireen, als glänzender Gastgeber war er in seinem Element.

Im April 1897 gründeten die jungen Künstler um Josef Engelhart, Gustav Klimt, Carl Moll und Koloman Moser – als Antwort auf die konservative Grundhaltung im Künstlerhaus – die "Vereinigung bildender Künstler Österreichs – Secession". Die Jahre vor und nach der Gründung zeigen die Vielfalt des Werkes von Josef Engelhart anhand von Pleinairmalerei, secessionistischen Kompositionen, kunsthandwerklichen Entwürfen und frühen Aktdarstellungen. Um die Secession zu einem Begegnungsort der Moderne aufzubauen, engagierte Engelhart sich als unverzichtbarer "Networker": "Die beiden ersten Jahre nach Gründung der Sezession waren für meine künstlerische Arbeit fast verloren, da es mir eine Herzenssache war, die Vereinigung für die nächste Zukunft sicherzustellen und über ihren wirtschaftlichen Bestand zu wachen (…) deshalb war es notwendig, häufig Reisen zu unternehmen und Verbindungen anzuknüpfen, die erstklassiges Ausstellungsmaterial verbürgten."

Von Frühjahr 1899 bis April 1900 übernahm Engelhart erstmals die Präsidentschaft der Vereinigung. Allmählich führten jedoch Auffassungsunterschiede zwischen den Naturalisten um Josef Engelhart und den Stilisten, mit Gustav Klimt an der Spitze, zum Bruch. 1905 trat die Gruppe um Klimt aus der Secession aus, die verbliebenen Naturalisten verloren in Folge zunehmend an Aufmerksamkeit. Die daraus resultierende Frustration Engelharts spiegelte sich auch privat im zerrütteten Verhältnis zu seinem Schwager Koloman Moser. Engelharts Ablehnung der Moderne gleicht einer persönlichen Abrechung.

Der Erste Weltkrieg hinterließ deutliche Spuren im Werk des Künstlers. 1916 meldete er sich als Kriegsmaler für das Kriegspressequartier nach Ostgalizien, Bosnien und an die Isonzofront. Kriegsende, Zusammenbruch der Monarchie und die Trostlosigkeit der verelendeten Wiener Bevölkerung sind in seinem letzten großformatigen Gemälde Wien 1918 dokumentiert. Trotz der Bedeutung, die Engelhart in seiner Zeit zugemessen wurde, wurde es nach 1918 schlagartig still um den Künstler. Moderne Kunstströmungen wie Kubismus oder Expressionismus lehnte er ab, fortan waren die bestimmenden Themen und Motive seiner Bilder die eigene Familie sowie Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben.


Vorstadt und Salon
2. April bis 26. Oktober 2009