Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind

Bernard Schultze (geboren im ehemals deutschen Schneidemühl/ Posen, heute Pila/Polen, lebte und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 2005 in Köln) wäre am 31. Mai 2015 hundert Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jubiläums beleuchtet die Ausstellung im Themenjahr "Freiräume" des Arp Museums Bahnhof Rolandseck das Informel als prägende Kunstrichtung der Nachkriegszeit. Die Vertreter dieser künstlerischen Bewegung lehnten eine realistische Figuration sowie eine "formelhafte" geometrische Abstraktion ab. Dagegen schöpften sie aus der intuitiven Schaffenskraft und folgten den Gesetzen des Zufalls.

Bernard Schultze wurde, wie auch sein Künstlerkollege K. O. Götz, der mit bedeutenden Arbeiten in der Sammlung des Arp Museums vertreten ist, vom Surrealismus geprägt. Insbesondere André Bretons Devise "unter dem Diktat des Unbewussten" wurde, so wie Bernard Schultze selbst sagt, zum obersten Gesetz, weil nur dadurch schöpferische Freiheit künstlerisch zu realisieren sei. Zeitlebens war dieser Glaubenssatz die Grundlage, um sich auf assoziative Reisen in das labyrinthische Unbekannte seines Ichs zu begeben. Bernard Schultzes Arbeiten in dieser Ausstellung – Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen, zeugen von diesem "Mitsich-selbst-Beschäftigtsein" und eröffnen uns ein vielgestaltiges farbenprächtiges OEuvre.

Das Arp Museum bietet einen idealen Rahmen für die groß angelegte Würdigung Bernard Schultzes, der diesem Ort in den späten 1960er Jahren und darüber hinaus sehr verbunden war. Neben zartfarbigen und schwarz-weißen Zeichnungen sowie farbgewaltigen großformatigen Ölgemälden spielen in der lichtdurchfluteten und offenen Architektur Richard Meiers insbesondere Schultzes Reliefs und einige seiner frühen Skulpturen, die mit Ölfarbe bearbeiteten "Migofs" aus Draht, Plastikmasse, Textilien und Ästen eine wichtige Rolle. Die Verwandlung seiner Malereien in plastische Gebilde, die in den Raum hineinwuchern, ist signifikant für sein künstlerisches Schaffen.

Ein besonderes Beispiel dafür ist die achtteilige Arbeit "Moonen", sein erstes Environment aus dem Jahre 1961. Sie wurde zuletzt im Entstehungsjahr in der Kunsthalle Baden-Baden gezeigt und nimmt nun in Rolandseck eine Schlüsselposition ein. Bernard Schultze gelang es zudem, wie auch dem Hauspatron Hans Arp, parallel zu seinem bildnerischen Schaffen ein gleichermaßen beeindruckendes poetisches Werk zu hinterlassen. Eine Auswahl seiner Gedichte wird in der Ausstellung zu hören sein.

Der Ausstellungstitel ist ein Zitat aus "Die Zimtläden", in Bruno Schulz, Werke 1. Die Zimtläden und andere Erzählungen, S. 142. Für Bernard Schultze war dieses Hauptwerk von Bruno Schulz (1892–1942), das 1933 in polnischer Sprache erschien und 1961 ins Deutsche übersetzt wurde, ein auch im Hinblick auf sein eigenes künstlerisches Schaffen wichtiges Werk. Hier begannen sich für ihn, wie er sagte, Bildnerisches und Literatur zu kreuzen, und es kam zu einem wechselseitigen Geben und Nehmen. In einer Ausgabe aus seinem persönlichen Besitz markierte Bernard Schultze verschiedene Sätze, die sein besonderes Interesse hervorriefen – so auch den daraus entnommenen Satzteil des Ausstellungstitels "Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind".


Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind
19. Juni 2015 bis 1. Mai 2016