Ein gelungener Don Giovanni am Vorarlberger Landestheater

Nur noch jedes zweite Jahr gibt es eine Opernproduktion in Bregenz mit dem Symphonieorchester Vorarlberg. Diesmal Don Giovanni. Ich muss gestehen, dass Don Giovanni meine absolute Lieblingsoper ist, an die zwanzig Inszenierungen habe ich bereits gesehen. Darunter Highlights bei den Salzburger Festspielen wie 2002, mit dem aufsehenerregenden Debut Anna Netrebkos als Donna Anna unter der Regie von Martin Kušej; 2024 den atemberaubenden von Currentzis und Castellucci (siehe Artikel kultur online); oder den unterhaltsamen bei der Mozartwoche 2023 unter der Regie von Rolando Villazón (siehe kultur online). In ferner Erinnerung ist dann noch das Regiedebut von Tobias Moretti am Kornmarkt-Theater.

Nach 24 Jahren also wieder einmal die Oper aller Opern am Vorarlberger Landestheater. Um es gleich vorwegzunehmen: hervorragend musiziert unter der Leitung von Daniel Linton-France sowie stimmig, mit Esprit und Kurzweil inszeniert von Andreas Rosar trifft Don Giovanni auf ein höchst begeistertes und dankbares (endlich wieder Oper!) Publikum. Auch das kreative, sich immerfort drehende Bühnenbild von Fabian Lüdicke spielt alle Stücke. Doch vorerst, zur Ouvertüre, lehnen der ergraute Don Giovanni im Ledermantel und der coole Leporello in Bomberjacke lässig an der Bar vor dem roten Vorhang.

Der lebenserfahrene, unersättliche Don Giovanni – perfekt besetzt mit dem Bariton Alejandro Marco-Buhrmeister aus Basel – hat nichts als das Frauen-Verführen im Sinn, ist skrupellos geworden in seiner Begierde, und bemerkt gar nicht, dass sein Glanz bröckelt. Es funktioniert nicht mehr so recht: Bei Donna Anna – die junge isländische Sopranistin Kristín Friðriksdóttir – muss er Gewalt anwenden; tötet ungewollt ihren zu Hilfe eilenden Vater; wird von seiner Verlobten Donna Elvira – vielseitig im Ausdruck, die ungarische Sopranistin Réka Kristóf – ständig angeklagt und aufgedeckt, die er auf den ersten Blick nicht mal erkennt, wie peinlich! Auch Diener Leporello – authentisch, der international gefragte Basbariton Marcel Brunner – ist seiner überdrüssig, widerwillig „tröstet“ er Elvira mit der endlosen Liste der 2065 Verflossenen seines Herrn (Madamina, il catalogo è questo), effektvoll blitzen hinter dem Vorhang nummerierte Damen auf. 

Das "dramma giocoso" nimmt seinen Lauf: Rache wird geschworen von Don Ottavio, alias Ilia Skvirskii – der junge russische Tenor war 2024 Teil des Opernstudios der Bregenzer Festspiele –, dem immer auf Warteposition gesetzten Verlobten Donna Annas. Die bäuerliche Hochzeitsgesellschaft, besser gesagt: die ausgelassene pink-bunte Partygesellschaft, wird gecrasht. Der Verführer umgarnt die hübsche Braut Zerlina (Là ci darem la mano) – charmant, die Oberösterreicherin Martha Matscheko –, die tatsächlich mit dem vermeintlichen gesellschaftlichen Aufstieg liebäugelt. Ihr Bräutigam Masetto – der Innsbrucker Korbinian Schlag gibt ihn sehr glaubwürdig – vergeht fast in Eifersuchtsanfällen, die wohl nicht ganz unbegründet sind und versteckt sich in der Badewanne …? Beim ausufernden Verwirrspiel – Masetto wird verprügelt, Leporello prominiert mit Elvira, alle suchen den Wüstling und finden den Falschen – wird die sich drehende Bühne gewieft und mit Witz eingesetzt.

Und zum Schluss wird es düster und leer. Don Giovanni am Friedhof, die Geister (starre, weibliche Schaufensterpuppen) die er rief, stehen bereit und der Commendatore – der Bass Evert Sooster tritt seit zwanzig Jahren an den bekannten Opernhäusern Europas auf – nimmt die Einladung zum Abendessen an. Beim großen Showdown dann, lässt sich der Lebemann von nackten Damen umschmeicheln, doch sein Schicksal ist besiegelt. „So stirbt, wer Schlechtes tut" stimmen alle überein, und gehen ihrer Wege. Dieser Finalauftritt war in der Aufführungspraxis lange Zeit gestrichen, doch heutzutage muss Strafe wieder rechtschaffen kommentiert sein.

Man darf gratulieren: was auf die relativ kleine Bühne des Kornmarkt-Theaters gebracht wird, ist ein vollwertiger, schlüssig und erfreulich dargebrachter Mozart´scher Don Giovanni. Das Publikum dank mit tosendem Applaus.

Don Giovanni | Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto: Lorenzo da Ponte
Vorarlberger Landestheater
in Kooperation mit dem Symphonieorchester Vorarlberg
Musikalische Leitung: Daniel Linton-France 
Inszenierung: Andreas Rosar
Bühne und Kostüm: Fabian Lüdicke
Dramaturgie: Annette Schreyer

Alejandro Marco-Buhrmester, Don Giovanni
Marcel Brunner, Leporello
Kristín Friðriksdóttir, Donna Anna
Réka Kristóf, Donna Elvira
Martha Matscheko, Zerlina
Korbinian Schlag, Masetto
Ilia Skvirskii, Don Ottavio
Evert Sooster, Il Commendatore
Bregenzer Festspielchor