Ein Bremer Musikant, Bach und noch mehr

27. Februar 2013 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Die Cellosuiten von Johann Sebastian Bach spielt man nicht einfach so. Selbst Pablo Casals hat mehr als 30 Jahre daran gearbeitet, bevor er mit einer Schallplattenaufnahme einverstanden war. Jene Gipfelwerke der Cello-Literatur nun auf einer Viola zu interpretieren, bedarf einer sehr gründlichen Vorbereitung. So mancher Bratschist erklärt jene Kompositionen Bachs sehr gerne als eigentlich für sein Instrument gedacht.

Schließlich spielte Bach selber Viola und niemals das Violoncello. Einige Passagen sind für das Cello gar kaum spielbar, aber eben nur kaum, denn die Crème de la Crème der Cellisten meistert sie hervorragend.

Nun ist es so, daß jene Cellosuiten auch bei den Bratschistinnen und Bratschern (es klingt dämlich, doch tue ich es, um der Gleichberechtigung zu genügen, denn die Feministinnen sind derzeit etwas empfindlich), also, sie erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, diese Suiten. Die ersten drei hat nun auch der Bremer Musikant Nils Mönkemeyer eingespielt, nicht ohne, und nicht ohne sich zuvor sehr intensiv darauf vorbereitet zu haben. So las er, bevor er spielte, sollen die Suiten schneller als von ihm gedacht, gespielt werden, was ihn zwar irritierte, doch nicht davon abhielt, eine sehr gelungene Interpretation zu präsentieren, für die er gar andere Saiten aufzog, Darmsaiten.

Mir gefällt nicht nur seine Interpretation, sondern auch seine Einstellung: "Ich blicke nicht von der Romantik zurück auf Bach, aber einen Dogmatismus lehne ich ab. Als Musiker muß ich eine eigene Aussage treffen, und alle Regeln müssen vom Inneren der Musik selbst erfüllt sein. Die historische Aufführungspraxis nutze ich als Inspiration. Das ist ein Prozeß, der mit dem vergleichbar ist, was Rainer Maria Rilke beschreibt: Man soll die Fragen lieben, sie in seinem Herzen schließen und immer wieder aufsuchen, bis man eines schönen Tages wie von selbst in die Antwort hinein lebt."

"Bach und mehr" (Sony Classical), so lautet der Titel der neuen CD von Nils Mönkemeyer. Bach ist klar, aber was ist mehr? Ich warte nun nicht darauf, daß Sie wie von selbst in die Anwort auf diese Frage hineinleben, sondern verrate es Ihnen. Mehr, das ist in diesem Falle eine zweite Extra-CD mit vier zeitgenössischen Solo-Kompositionen, die teilweise im Auftrag von Mönkemeyer entstanden sind und sich mit Bach auf unterschiedliche Weise beschäftigen. So die von Krysztof Penderecki (*1933) in Erinnerung an Bach 2006 komponierte Sarabande, das von der englischen Komponistin Sally Beamish (*1956) geschriebene Stück "Ariel", die "Nine Lullabies for a New World" der Griechin Konstantia Gourzi (*1962) und "Luce Morenda" von Marco Hertenstein (*1975). Bei allen vier Werken handelt es sich hier um Weltersteinspielungen!

Hertenstein bezieht sich mit seiner Komposition auf die Kunst der Fuge, und zwar auf jenen Moment, wenn die letzte Fuge abbricht. Daß Bach über jene Fuge verstorben sein soll, bleibt mehr als fraglich. Als Nils Mönkemeyer im Alter von acht Jahren bei einem Konzert von Reinhard Goebel und der Musica Antiqua Köln war, und das Ensemble eben genauso abbrach, war der Junge schockiert und vermochte kaum noch zu atmen. Hier nebenbei ein Rat an alle Eltern: Besuchen Sie mit Ihren Kleinen Konzerte, Sie sehen, was daraus wachsen kann! Doch zurück zu Hertenstein. Sein Stück "Luce Morenda" sei eine Angstjagd, sagt Mönkemeyer, und meint dies gewiß positiv!

Über Marco Hertenstein brachte ich in Erfahrung, daß er neben seiner überaus regen Komposititonstätigkeit auch als Dozent an der Hochschule für Musik und Theater in München, dem Schul- und Kulturreferat München, an der Fachhochschule Salzburg und an der LMU München in den Fächern Musikelektronik, Filmmusikgeschichte sowie Filmmusik-Dramaturgie und -Komposition seine Erfahrungen und Kenntnisse auch an andere weiter gibt. Von Marco Hertenstein können auch Sie und Ihre Kinder noch viel hören und sehen, denn seine Märchenoper "Die verlorenen Gedanken" (dazu gibt es auch ein Buch!), oder sein "Tor zur Fabelwelt" könnten als Tor zur Musik durchaus wertvoll sein.

Mein Fazit: "Bach und mehr" ist durchaus hörenswert, auch für jene, die Bachs Suiten für Cello vom Cello bevorzugen, denn es ist mehr als wahrscheinlich, daß Bach selbst diese auf der Viola probierte und spielte. Die Bonus CD mit den vier Weltersteinspielungen dürfte für jeden Liebhaber zeitgenössischer Musik eine Bereicherung und ein Erlebnis sein.

Ich möchte dieses Erlebnis mit Ihnen teilen, weshalb ich diese CD unter jenen verlose, die mir auf folgende Frage die korrekte Antwort (bis zum kommenden Mittwoch) an antwort@musikkolumne.de senden. In welchem Jahr wurde Nils Mönkemeyer geboren?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt