Egon Goldner. Zeitzeichen

Einzigartig ist das Werk des Zeichners Egon Goldner: Strich um Strich entwickelt der Künstler Stimmungslandschaften in Tusche und Buntstift auf Papier. Gleich einem Seismographen setzt der gelernte Buchdrucker seine Schraffuren aufs Blatt und verbildlicht Eindrücke und Gefühle in konzentrierten Kompositionen als eine Art visuelles Tagebuch. Sein Strich variiert dabei: mal ist er rund und fließend und erinnert an die Wiedergabe von Höhenlinien in der Kartografie, ein andermal nervös und abgehackt, legt sich Schicht für Schicht übereinander zu Zerwürfnissen auf dem Papier.

Egon Goldner, 1945 in Lustenau geboren, absolvierte von 1960 bis 1964 eine Buchdruckerlehre und begann im Jahr 1966 mit dem Zeichnen. Nach reger Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland verschwand Goldner Anfang der 1990er Jahre für ein Jahrzehnt von der Bildfläche, zog nach Delhi, Indien, und bereiste von dort aus den ganzen Subkontinent. Während dieser Jahre brach er jeglichen Kontakt zu seiner ehemaligen Heimat ab und stellte auch das Zeichnen ein. Sein Name blieb indes einer kleinen und wertschätzenden Kunstgemeinde im Gedächtnis. 2002 kehrte Goldner nach Wien zurück, widmete sich aber erst im Frühjahr 2014 wieder dem Medium Zeichnung. Seither ist sein Schaffensdrang ungebrochen.

Richard Bösch, langjährigem Weggefährten und Freund Goldners, ist es zu verdanken, dass das Werk dieses Einzelkämpfers nun in Form einer Retrospektive gewürdigt wird. In einer komprimierten Auswahl stellt der Kurator die frühen Arbeiten an den umlaufenden Wänden aus und zeigt das aktuelle Werk auf den eigens dafür entwickelten Stellwänden im Inneren des Ausstellungsraumes. Die Entstehung und Weiterentwicklung der Goldner"schen Typologien kann so exemplarisch vor Augen geführt werden. Ergänzend zu den Zeichnungen präsentiert die Ausstellung eine Auswahl an Korrespondenzen des Künstlers, die Aufschluss über sein schwieriges Verhältnis zur Presse, aber auch die große Wertschätzung seiner Arbeiten in ausgewählten Künstlerkreisen geben. Ein filmisches Kurzporträt von Ingrid Adamer ergänzt die Schau.

Hansjörg Thum zeichnet für die konzentrierte Ausstellungsarchitektur verantwortlich: Goldners zeichnerische "Verdichtungen" setzt der Architekt in ein zartes Geflecht von raumhohen Trennwänden um, die den Besucher bereits am Eingang verlangsamen. Nach Betreten des Raumes schaffen sie immer neue Perspektiven und Ausblicke auf das Werk des Künstlers. Der Grafiker Kurt Dornig hat nicht nur eine elegante, zurückhaltende Typografie und Gestaltung für die Ausstellung entworfen, sondern zusammen mit Hansjörg Thum eine Farbgestaltung entwickelt, die sich ganz den subtilen Arbeiten Goldners unterordnet.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in der Reihe "Künstler im Gespräch" im Bucher Verlag, ebenfalls von Kurt Dornig gestaltet. Das Vorwort hat Andreas Rudigier verfasst, in einer Einleitung nähert sich Richard Bösch dem künstlerischen Schaffen seines Freundes an. Seit drei Jahrzehnten kennen und schätzen sich Egon Goldner und der Vorarlberger Autor Kurt Bracharz, der das Gespräch führt. Im Mittelpunkt stehen umfangreiche Abbildungen der Zeichnungen des Künstlers sowie eine Porträtserie von Sepp Dreissinger, der Egon Goldner einen Tag lang in Wien begleitet hat.


Egon Goldner. Zeitzeichen
30. Januar bis 1. Mai 2016