Die Ausstellung "Eating the Universe" verfolgt mit einer breit angelegten Bestandsaufnahme aus heutiger Sicht den originären Charakter von Eat Art bis in die Gegenwart. Der Ausstellungstitel, der von Peter Kubelka, ehemals Professor für Film und Kochen an der Frankfurter Städelschule, in den 1970er Jahren für eine TV-Sendung über das Kochen als Kunstgattung stammt, zeigt, wie relevant der künstlerische Umgang mit der Grundsubstanz Nahrung bis heute geblieben ist. Als elementare Schnittstelle von Kunst und Leben bekommt er vor dem Hintergrund von Themen wie Überfluss und Hunger, Konsum und Globalisierungskritik, modernen Ernährungslehren und Koch-Shows, Schlankheitswahn und Fast Food eine neue Aktualität.
Die Ausstellung gliedert sich in zwei ineinander greifende Abschnitte. Ein kleinerer historischer Teil widmet sich den Wurzeln der Eat Art sowie der Eat Art Galerie. Zentrale Arbeiten Daniel Spoerris, einige der "Fallenbilder" und Teile seiner Rezeptbuchsammlung, werden neben den wichtigsten für die Eat Art Galerie entstandenen Multiples gezeigt, darunter Werke von Joseph Beuys, Roy Lichtenstein, Dieter Roth, André Thomkins, Günther Uecker, Ben Vautier, Günter Weseler und anderen.
Der Hauptteil der Ausstellung präsentiert das breite Spektrum an jüngeren Positionen, die sich mit dem Einsatz alimentärer Materialien beschäftigen. Kochen und Essen als gesellschaftliche und kulturelle Inszenierungen bilden den Ausgangspunkt für die ethnologisch fundierten Recherchen von Christine Bernhard, die kommentierten Gastmahle von Arpad Dobriban, die kulinarisch sozialkritischen Aktionen von Rirkrit Tiravanija sowie die von Künstlern und Künstlerinnen benutzte Sammlung an Trinkgefäßen von Dustin Ericksen und Mike Roger, oder Lili Fischers Auseinandersetzung mit Gewürzen und Heilpflanzen. Sonja Alhäuser, Anya Gallaccio, Judith Samen und Jana Sterbak verbindet das bildhauerische Interesse am Umgang mit Lebensmitteln, die durch ihre sinnliche, körpernahe und vergängliche Materialästhetik reizen.
An der Grenze zwischen Faszination und Befremdlichkeit bewegen sich die Arbeiten von Michel Blazy, in denen Mikroorganismen oder Mäuse zu bildgestaltenden Elementen werden. Spielerisch surreale, abgründige oder groteske Aspekte des alltäglichen Umgangs mit Nahrung thematisieren auf ihre je eigene Weise BBB Johannes Deimling, John Bock, Carsten Höller und Shimabuku. Thomas Feuerstein zeigt einen algenproduzierenden Bioreaktor, der Lebens- und Malmittel gleichzeitig liefert.
Die Küche nicht nur als Labor, sondern als kreativer und sozialer Produktionsort im Allgemeinen wird in der Ausstellung mehrfach thematisiert. Andreas Wegner baut Margarete Schütte-Lihotzkys berühmte Frankfurter Küche von 1926 nach und reflektiert ihre sozialen und architektonischen Bedingungen. Christian Jankowski spitzt in seinem "Kochstudio" ironisch die Medienwirksamkeit und Marktgängigkeit gastronomischer Inszenierungen zu, während Zeger Reyers eine langsam rotierende Küche voller Lebensmittel baut, die sich von einem funktionsfähigen Alltagsgegenstand in einen Abfallcontainer verwandelt.
Die hier implizierte Kritik an Verhaltensweisen der Überflussgesellschaft wird ebenfalls von Thomas Rentmeister aufgegriffen, während in der Video-Installation von Mika Rottenberg die Konsumwelt und vorindustrielle Produktionsbedingungen in absurden Settings miteinander kombiniert werden. Der Umgang mit dem eigenen Körper, mit Schönheitsidealen und Essstörungen stellt einen weiteren Aspekt der Ausstellung dar und wird von den Künstlerinnen L.A. Raeven und Elke Krystufek aufgegriffen, die wie Paul McCarthy Lebensmittel auch für Tabu brechende Inszenierungen verwenden.
Die Ausstellung umfasst zentrale Leihgaben ebenso wie Arbeiten und Aktionen, welche die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler für das Projekt entwickelt haben. Parallel wird ein umfangreiches Begleitprogramm stattfinden. So zum Beispiel eine Filmreihe in Kooperation mit dem Leokino & Cinematograph, Performances, Vorträge und Kochereignisse.
Ausstellungskatalog: "Eating the Universe - Vom Essen in der Kunst". Mit Essays von Christiane Boje, Renate Buschmann, Beate Ermacora, Ulrike Groos, Magdalena Holzhey, Elke Krasny und Nikolai Wojtko sowie Künstlertexten von Sylvette Babin, Jörg van den Berg, Elodie Evers, Gerrit Gohlke, Roland Groenenboom, Thomas Hirsch, Magdalena Holzhey, Eva M. Kobler, Michael Krajewski, Harald Lemke, Johannes Meinhardt, Francis Outred, Philip Ross, Dietmar Rübel, Andreas Schlaegel und Henning Weidemann. 312 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen. DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2009; Preis: EUR 29,-. ISBN 978-3-8321-9240-2
Eating the Universe
Vom Essen in der Kunst
24. April bis 4. Juli 2010