Drawn Apart

Bestens Bekannte aus Wien werden die Sommerausstellung der Galerie.Z in Hard bestreiten. Haben sie doch alle an den Gruppenpräsentationen der Studierenden der Universität der Angewandten Kunst teilgenommen, und dies größtenteils mehrfach. "Operation Domino" und "Auf dem Tisch" titelten die beiden vorangegangenen Ausstellungen, die wie die aktuelle von Emi R. Denk kuratiert wurden.

Unter der Motto "Drawn apart" zeigen nun Cinthia Mitterhuber, Julia Maria Rohn, Jakob Schieche und David Schilling ihre neuen Arbeiten, wobei neu tatsächlich brandneu bedeutet. Denn die Vier haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Werke vor Ort entstehen zu lassen. Gespeist aus den Eindrücken, die sie während ihres zweiwöchigen Aufenthaltes in Hard gewinnen konnten, werden sie unterschiedliche Projekte generieren. Die räumliche Distanz zu ihrer gewohnten urbanen Umgebung sowie die Loslösung von ihrem studentischen Tagesablauf erachten sie dabei als befruchtende Ausgangslage. "Drawn apart" verstehen sie demnach als ein Zeichnen fern der gewohnten Umgebung und des üblichen Schemas. Die aus der Steiermark stammende Cinthia Mitterhuber studiert seit 2007 Malerei an der Angewandten und beteiligt sich zum dritten Mal an der Gruppenschau. Ihre Zeichnungen entstehen spontan und ungeplant. Aus Strichen, die sie ohne Erwartung aufs Papier setzt, bilden sich Gegenstände heraus, verdichten sich, reihen sich aneinander. Auf diese Art entstehen Aufzählungen, Variationen und Anordnungen. Als Bildinhalte dienen alltägliche Gegenstände wie Werkzeuge, Sessel oder Gläser, die sie seriell verbindet. Cinthia Mitterhuber selbst nennt diese Methode sehr treffend "Stricken mit dem Farbstift". Für "Drawn apart" hat sie sich vorgenommen, mit einem Zeichenbuch aufzubrechen, um die Gegend in und um Hard zu erkunden. Während ihr in ihrer üblichen Arbeitsumgebung - wie bereits erwähnt - einzelne Objekte den Anstoß für Ideen liefern, sind es in der neuen Situation ganze Landschaften. Als besonders spannende Inspirationsquelle hat sie sich den Bodensee auserkoren, dessen variierende Oberfläche sie in ornamentale Liniengeflechte übersetzen und den Rhythmus der Wellen auf dem Blatt fortschreibt. Damit setzt sie Assoziationen frei, und sie taucht mit dem Stift in die geheimnisvolle Unterwasserwelt mit all seinen Wesen, Gräsern, Halmen und Fasern ein. Die Kombination von Gesehenem und den dadurch evozierten Erinnerungen bzw. Assoziationen nennt die Künstlerin als ihr liebstes Spiel in der Zeichnung. Einem anderen Spiel widmet sich Jakob Schieche, wobei er dem Thema der Wahrnehmungsmechanismen, subjektiven Erwartungen und Beurteilungen wie bei der Schau im Vorjahr treu geblieben ist. Denn in seinem Projekt greift er zwei Themen auf, die vor kurzem in diversen Vorarlberger Medien behandelt wurden. Dabei verknüpft er die Tatsache des ebenso mysteriösen wie auffälligen Bienensterbens im Ländle mit der "Goldburg Welle", die hierorts teilweise für Unmut gesorgt hat. Die Firma Goldburg bewirbt diese wellenartige Metallplatte mit dem Versprechen, damit negative Energien abwenden zu können. Überdies betont die Firma auf der Homepage ihr Engagement für den Erhalt der Bienenbestände und verspricht denjenigen Kunden, die eine Energiemessung vornehmen lassen, 1kg Bienenhonig. An der Schnittstelle dieser beiden Themen, die dort aufeinander treffen, wo Wissenschaft an die Grenzen des Erklärbaren stößt, setzt der Künstler seine Arbeit an. Indem ein profaner Gegenstand mit einer wichtigen Bedeutung oder mit besonderen Eigenschaften aufgeladen wird, verändert sich gleichzeitig dessen Wirkung bzw. dessen Beurteilung durch die Betrachter. Dieser Mechanismus stellt in der Kunst kein Novum dar, sondern ist in der zeitgenössischen Kunst erfahrbar, wie "readymades" und "objects trouvés" veranschaulichen. In Anlehnung daran und basierend auf dem Vorbild der Firma Goldburg, plant Jakob Schieche mithilfe der Kunst einen künstlerischen Gegenstand zu schaffen. Seine eigens produzierte Welle wird er in unmittelbarer Nähe von belebten oder auch unbelebten Bienenstöcken positionieren, um sie vor negativer Energie abzuschirmen oder sogar zu reinigen oder präventiv Schädigung zu unterbinden. Die Fotos, die er machen wird, sind dann in der Galerie.Z zu besichtigen. Ein eigentümlicher Effekt, der aus den absurd anmutenden Bildkompositionen resultiert, ist garantiert. Julia Maria Rohn , die neben Fotografie/ Bildende Kunst auch Kultur und Sozialanthropologie studiert, hat ihre Beiträge für die letztjährige Ausstellung der Angewandten ebenfalls apart also weg von Wien und weg von den gewohnten Abläufen kreiert. Auf Streifzügen durch Hard hat sie dafür Impulse und Spuren gesammelt - u.a. im örtlichen Textilmuseum. Anhand von Landkarten hat sie entgegen den vorgegebenen Normen eigene Kartenwelten erstellt und damit die Systematisierung von Landschaft hinterfragt. Für ihr aktuelles Projekt wird sie ein Fliesenbild gestalten, wobei sie die einzelnen Teile in der Keramikwerkstätte an der Universität fabriziert. Mit Unter- und Aufglasur beendet, gelangen sie anschließend an ihren temporären Bestimmungsort. Einige Exemplare wird sie erst vor Ort finalisieren, indem sie Graphitzeichnungen aufträgt und in die Installation einfügt. Ebenso ist daran gedacht, Fliesen aus dem Harder Umland einzubringen. Ob die Einzelstücke in der Galerie an die Wand gehängt, gelehnt oder auf dem Boden platziert werden, entscheidet die Künstlerin spontan bei der Assemblage. Julia Maria Rohn zeigt anhand des an primären Lagerstellen entstehenden Materials des Tons auf, wie es sich im Laufe der Weiterbearbeitung verändert und je nach Prozessstadium wegbewegt wird. Schließlich gelangt das bewegliche kulturelle Material über die Produktion an einen fixen Platz, bis die Wohnstätte aufgelassen wird. Komplettiert wird das künstlerische Quartett von dem in Borna\Deutschland geborenen David Schilling. Er sagt von sich, dass ihm im Zuge der intensiven Beschäftigung mit dem Zeichnen die Schriftsprache beinahe entglitten ist und das Zeichnen deren Funktion übernommen hat. Er definiert den Akt des Zeichnens als Grundelement und Ursprung seiner Arbeit, wobei er nicht an der realen oder wahrhaftigen Wiedergabe des Gesehenen - sofern dies überhaupt möglich ist - interessiert ist. Vielmehr strebt er danach, neue Gefüge zu finden, Wesentliches festzuhalten, Neues entstehen zu lassen. Der räumlichen und zeitlichen Distanz wird er sich in Hard rigoros unterwerfen. Denn er beabsichtigt, durch das Loslösen von seiner bekannten Ordnung in Wien, sich völlig auf Papier und Stift einzulassen. Zusätzlich fordert er sich dazu heraus, vergleichbar einem exakt strukturierten Werktagsrhythmus, acht Stunden pro Tag tätig zu sein. Aus dieser Quantität soll abschließend ein qualitativ künstlerisches Ergebnis erzielt werden. Mit der Vernissage ist die Phase endgültig abgeschlossen. Drawn apart - weg von den regelrecht automatisierten Arbeits- und Tagesabläufen, weg von den dank eingebrannter Routine gefestigten und gesicherten Methoden und weg vom bestens vertrauten Umfeld. Dieser Titel legt darüber hinaus eine Interpretationsvariante im Sinne eines Wegzeichnens über die vorgegebenen Grenzen, Beschränkungen und Einengungen durch das Material, die Örtlichkeit und den Raum nahe. Es beinhaltet so betrachtet auch ein Überwinden von Rastern, Rahmen und Zwängen in welcher Dimension auch immer. Kurz formuliert: Zeichnen und los!
Drawn Apart 15. Juni bis 21. Juli 2012