Distanz von nirgendwo

Die Kestnergesellschaft stellt mit David Salle einen der wichtigsten zeitgenössischen amerikanischen Künstler der letzten 30 Jahre mit neuesten Arbeiten aus. Gezeigt werden insgesamt 23 großformatige Gemälde, die zum Großteil zwischen 2007 und 2009 entstanden sind und nun zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum gezeigt werden. Ergänzt werden diese durch 6 ältere Werke aus den Jahren 1983-98.

Seit den frühen 80er Jahren gilt Salle sowohl formal als auch künstlerisch als ein Querdenker, bei dem kunsthistorische Etiketten und Zuschreibungen, wie zum Beispiel "New Expressionism" oder "Transavantgardia", als besonders unvollständige Erklärungshilfen funktionieren. Bis heute zeichnet sich Salle durch einen unverwechselbar eigenständigen Stil aus, der sich in den letzten Jahren noch einmal intensiviert hat.

Die ausgestellten Gemälde offenbaren rauschhaft verwirrende Bildentwürfe, die in ihrer Zeitlosigkeit niemals wirklich an Relevanz verloren haben. Sie zeugen von Salles Experimentierfreudigkeit mit surrealistischem Drama und neuer Kolorierung. Viele der neueren Arbeiten bestehen aus der Überlagerung mehrerer Bildebenen als Figur-Grund-Konstruktionen. Zu sehen sind unidentifizierbare Personen, die wie im surrealistischen Zerrspiegel von den Rändern des Bildes in es hineinblicken oder auf farbigem Grund im Bildraum wie "ausgesetzt" wirken. Durch sein nicht nachlassendes Grundinteresse an der Malerei zeigt er sie als führendes Medium der Erfahrbarkeit von Welt. Salle schaut auf diese Phänomene mit einem gleichsam ironischen, verspielten und leidenschaftlichen Blick.

Die Oberfläche seiner Bilder scheint für ihn der Ort zu sein, an dem er das Disparate einer unbändigen visuellen Kultur versammelt, miteinander vermischt und seine Pirouetten drehen lässt. Mit den ausgestellten Arbeiten legt Salle sein Hauptaugenmerk auf die Frage der Perspektive als eine tradierte Konvention der Repräsentation, die er in den meisten seiner Gemälde intuitiv als theatralisches Mittel einsetzt. An Narration im klassischen Sinn scheint Salle jedoch nach wie vor nicht interessiert zu sein. Eine Haltung, die der amerikanische Kunstkritiker Peter Schjeldahl bereits 1985 dazu veranlasste über Salles Bilder zu sagen, sie wirkten allenfalls wie »eine Art von persönlichem Essay oder Manifest«, nicht aber wie eine Geschichte. Es handelt sich um bildhafte Manifeste, die sich der Entschlüsselung durch den Betrachter entziehen. Allenfalls beim Nachdenken über Vokabeln wie Intuition und Intensität funktioniert ein Zugang, der an kleinen kunsthistorischen oder tiefgängigen persönlichen Anekdoten festzumachen ist.

Die Intensität von Salles Bildern enthüllt sich allerdings weniger im Sinn von Exzess, Ausdehnung oder roher Energie als vielmehr in der Art und Weise, wie er die Welt liest, ordnet und innerhalb dieser Ordnung die Dinge in einem Display von kalkulierter Spannung und Kontrolle an ihre Grenzen bringt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.


David Salle - Distanz von nirgendwo
20. März bis 21. Juni 2009