Dinge bewegen. Sammlungen im Dialog

In einer Zeit, in der sich vertraute Konstellationen radikal verändern, stellt das Museum der Moderne Salzburg seine Neuauswahl von Werken aus den Sammlungen unter das Leitmotiv "Dinge bewegen". Darunter befinden sich Neuankäufe ebenso wie Wiederentdeckungen. In der aktuellen Ausstellung von Sammlungsbeständen treten erneut Werke aus der Sammlung Generali Foundation, Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, in einen Dialog mit Arbeiten aus den eigenen Beständen und aus anderen, dem Museum anvertrauten Sammlungen, wie der Fotosammlung des österreichischen Bundes, der Sammlung Fotografis der Bank Austria Unicredit und der Sammlung MAP.

Geraten Dinge in Bewegung, stellen sich Veränderungen ein. Dinge, die im buchstäblichen Sinne die Position wechseln, ziehen Aufmerksamkeit auf sich, bewirken mitunter Irritation. Mit dem Einzug der Dinge in die Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Frage, was Kunst ist, was sie ausmacht und wie sie entstehen kann, neu verhandelt. Heute wird der künstlerische Schaffensprozess selbst zum Kunstwerk, Gebrauchsgegenstände finden in bildhauerischen Arbeiten Verwendung, Möbel werden zu (Sitz-)Skulpturen erklärt, und auch Dinge mit hohem Identifikationscharakter tauchen in Kunstwerken auf. Wie kommt es, dass Alltagsgegenstände neben eigens geschaffenen Skulpturen und Objekten in der Kunst einen so hohen Stellenwert einnehmen? Welchen Umgang pflegen Künstlerinnen und Künstler mit der Dinglichkeit der Kunst? Wie vermitteln Dinge soziale Beziehungen? Welche Rolle spielt die Gestaltung von Dingen für unsere Gesellschaft?

Im Feld dieser Fragen und semantischen Mehrdeutigkeiten geht die Ausstellung den Dingen in der Kunst vom 19. bis zum 21. Jahrhundert nach. Dinge erweisen sich oft als unverzichtbare, aber unauffällige Begleiter im Alltag. Daher bleibt ihr Einfluss auf unsere Lebensweise meist unreflektiert. In der Kunst dagegen gilt der Beziehung zwischen Dingen und dem menschlichen Wahrnehmungsapparat ein besonderes Interesse.

Gleich zu Beginn der Ausstellung gibt Franz West (1947–2012 Wien, AT) die Dinge aus der Hand, wenn er es unter Berufung auf Ludwig Wittgenstein den Kuratorinnen und Kuratoren überlässt, die einzelnen Bestandteile seiner aus Originalen und deren Abgüssen bestehenden Skulptur "Revision I" und "II" (1990) miteinander zu kombinieren. Ähnlich religiösen Kultgegenständen und Reliquien, denen in früheren Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaftsformen eine magische Wirkung zugesprochen wurde, provoziert in der Folge "Mushroom" (2006) von Silvie Fleury (1961 Genf, CH) mit seiner haptischen Oberfläche geradezu eine Berührung. In einer kürzlich erworbenen Multimedia-Installation geht Kader Attia (1970 Paris, FR – Berlin, DE) rituellen Objekten aus Afrika in der Sammlung des Vatikans und in Salzburg als stillen Zeugen der Missionierung nach.

Heimo Zobernig (1958 Mauthen – Wien, AT) präsentiert in der für ihn charakteristischen Ambivalenz zwischen künstlerischem und funktionalem Objekt bemalte Styroporkuben. Diese werden in der Ausstellung als Display eingesetzt in dem Videos von Bruce Nauman (1941 Fort Wayne – Galisteo, NM, US) aus den 1960er-Jahren und Filme von Dóra Maurer (1936 Budapest, HU) aus den 1970er-Jahren zu sehen sind, in denen der Körper als bildhauerisches Material begriffen und seine Objekthaftigkeit betont wird. Dieser Aspekt spielt auch in den Neuankäufen von Werkgruppen von Simone Forti (1935 Florenz, IT – Los Angeles, CA, US) und Anja Manfredi (1978 Lienz – Wien, AT) eine grundlegende Rolle: Gliedmaßen setzen sich in Bewegung, Körper befreien sich aus der Erstarrung. Drei zusammenhängende Installationen von Jarosław Kozłowski (1945 Śrem – Posen, PL), der sich in seiner künstlerischen Arbeit mit der Begrifflichkeit und Phänomenologie von Dingen beschäftigt, treten als Wiederkehrer unter veränderten Vorzeichen in mehreren Räumen der Ausstellung auf.

Zu den Wiederentdeckungen in den eigenen Beständen zählen Druckgrafiken von Max Ernst (1891 Brühl, DE – 1976 Paris, FR) und Sigmar Polke (1941 Oels – 2010 Köln, DE). Eine eigens eingerichtete Wand mit Fotografien eröffnet Bezüge zwischen Objektfotografien der 1920er- und 1930er-Jahren aus der Sammlung Fotografis der Bank Austria Unicredit, u.a. von Herbert Bayer (1900 Haag am Hausruck, AT – 1985 Montecito, US), Arthur Benda (1885 Berlin, DE – 1969 Wien, AT) und Heinz Loew (1903 Leipzig, DE – 1981 London, GB), und einer Gruppe in den 1980er-Jahren entstandener fotografischer Stillleben von Seiichi Furuya (1950 Izu, JP – Graz, AT).

Eine weitere Gruppe von Arbeiten in der Ausstellung thematisiert politische Umbrüche und sozialen Wandel, von der "Exekution Kaiser Maximilians" (1867) von Édouard Manet (1832–1883 Paris, FR) bis hin zur Installation "Bau I" (1989–2000) von Ulrike Grossarth (1952 Oberhausen – Berlin / Dresden, DE). Florian Pumhösl (1971 Wien, AT) stellt in seiner Installation "On or off earth" (1996) die gesellschafts-politischen Ideen hinter den visionären DIY-Design- und Möbelentwürfen der 1960er- und 1970er-Jahre auf den Prüfstand einer Konsumkultur mit Massenfertigung. Rainer Ganahl (1961 Bludenz, AT – New York, US) legt in seiner Serie "Seminars/Lectures (S/L)" (1995–1997) ein Archiv der Wissensproduktion in führenden Bildungseinrichtungen an. Durch ihre Intention, "Dinge zu bewegen", bringen diese Arbeiten in der Kunst einen Stein ins Rollen, dem durchaus das Potenzial zukommt, einschneidende gesellschaftliche Umwälzungen sichtbar zu machen.


Dinge bewegen. Sammlungen im Dialog
24. Oktober 2015 bis 10. April 2016