Digitalisierungs-Ticker

14. Oktober 2019 admin
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Eine britische Untersuchung hat ergeben, dass Jugendliche die Telefon-App nicht einmal unter den Top-Sechs ihrer Smartphone-Anwendungen führen. Bei uns bemühen sich Senioren, die von ihren Kindern ein Smartphone geschenkt bekommen haben, damit wenigstens telefonieren zu erlernen. Der Spalt zwischen den Generationen wird breiter.

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Demonstranten in Hongkong haben eine App auf ihren iPhones, mit der sie die Bewegungen der Polizei in der Stadt verfolgen können. Diese App ist nach Hinweisen „vieler besorgter Nutzer in Hongkong“ sogleich von Apple aus dem Store entfernt worden, weil sie „eine Gefahr für Sicherheitskräfte und Bewohner“ darstellte. Offiziell war es also nicht Peking, das hinter dieser Zensurmaßnahme steckt, sondern Apples Sorge um die Sicherheit der Bewohner von Hongkong. Man kann eine solche Polizei-Tracking-App durchaus kritisch sehen, aber man muss sich nicht mit der Argumentation lächerlich machen.

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Die ganze Serie „South Park“ ist aus dem chinesischen Internet verschwunden, nachdem die Folge „Band in China“ am 2. Oktober der chinesischen Zensur übel aufgestoßen war. Verspottet wurden da zwar hauptsächlich die permanenten ideologischen Verrenkungen von Hollywood, um mit den Chinesen im Filmgeschäft bleiben zu können, aber die „South-Park“-Figur Randy Marsh trifft – wegen Handels mit Marihuana verhaftet – im Gefängnis Alan Alexander Milnes heute durch Disney bekannte Figuren, den Teddybären Winnie-the-Pooh und das Schweinchen Piglet. Das Ferkel erklärt den Grund der Inhaftierung: „Manche Leute sagen, Pu sehe aus wie der chinesische Präsident, deshalb sind wir jetzt illegal in China.“ Es war schon der Film „Christopher Robin“ (im Kinderbuch der Junge, der mit Pu und Ferkel spielt) verboten worden, weil Staatschef Xi Jingping von den Zuschauern mit Pu verglichen worden ist. Die Macher der Endlos-Serie „South Park“, Trey Parker und Matt Stone, witzelten: „Wie die NBA begrüßen wir die chinesische Zensur in unseren Häusern und in unseren Herzen. Auch wir lieben Geld mehr als Freiheit und Demokratie.“

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Auf dem Schweizer Webportal Sexy-Tipp.to bewerten Freier Prostituierte in der Schweiz und anderen, vorwiegend europäischen Ländern. Die selbsternannten Tester nehmen sich kein Blatt vor den Mund und ihre Formulierungen sind infolgedessen meistens beleidigend. Das würde den Prostituierten, die ja nicht gefragt worden sind, ob man sie bewerten darf, vielleicht nicht allzu viel ausmachen, aber es gibt Freier, die die richtigen Namen und sogar die Adressen der Frauen in Erfahrung bringen, sie im Internet nennen und vielleicht auch noch eine Verleumdung hinzufügen, zum Beispiel die, sie arbeiteten gegen entsprechenden Aufpreis auch ohne Kondom. Das kann einer an sich diskret arbeitenden Sexarbeiterin in einem kleinen Dorf die Existenz zerstören, vor allem die Behauptung, sie würde ungeschützt Sex machen. Gegen die Webseite kann man wenig unternehmen, denn .to ist der Inselstaat Tonga, der sich nicht um europäische Gesetzgebung oder Rechtshilfeansuchen schert. Das mit Werbebannern auf dem Portal gemachte Geld geht ebenso wenig verfolgbar in die Karibik.

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Der deutsche Sachbuchautor Sascha Lobo sagt in einem Telefoninterview mit Peter Kusenberg für die Zeitschrift „konkret“, Nr. 10/2019, S. 35: „Wenn man sich anschaut, wie heutzutage Migration funktioniert, kommt man zu einer Beschreibung wie die der Migrationssoziologin Marie Gillspie: ,Wasser. Smartphone. Essen. In dieser Reihenfolge’ gewichtet Gillespie die zentralen Güter von Leuten, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Daran erkennt man, dass es eine deutsche oder europäische Luxusposition ist, sich von solchen gesellschaftlichen Realitäten lösen zu können. Und es zeigt, wie die Abkehr von allgegenwärtigen Technologien selten ein Zeichen von unteren sozialen Schichten war, sondern oft eine Form von Privileg, eine Art der Freiheit von Alltagszwängen. Neulich sagte Uli Hoeneß öffentlich: ,Ich war noch nie im Internet.’ Das ist die Pose eines Privilegierten, der für alles seine Leute hat. Digitale Vernetzung und das Smartphone sind heute weltweit substantiell für viele Lebensentscheidungen.“ Zu den ersten Diskriminierungen von Flüchtlingen 2015 gehörte die Erregung darüber, dass sie alle Handys zu haben schienen, wo sie nach Ansicht der Völkischen doch eigentlich barfuß im Lendenschurz hätten fliehen sollen.