Dieser Café ist eine Herzenssache

4. Juli 2012 Rosemarie Schmitt
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Im Juli 1669 traf Soliman Aga in Frankreich ein, um König Ludwig dem XIV eine Botschaft zu überbringen. Der König jedoch war erst im Dezember bereit, den Gesandten von Muhamed IV zu empfangen. Doch Soliman Aga hatte Zeit und ein Gefolge (von wegen Soliman!), mit beiden ließ er sich in einem prunkvollen Palast in Paris nieder. Und er hatte noch etwas: Kaffee! Diesen bot er seinen verwöhnten und noblen Gästen an, während diese sich in einer Welt wie aus Tausendundeiner Nacht wähnten und den orientalischen Rausch genossen.

So habe im Jahre 1669 der Kaffee die Kultur des Beisammenseins in Europa und der Welt für alle Zeiten verändert, heißt es im Booklet der CD "Café", die das Pera Ensemble unter der Leitung von Mehmet C. Yeşilçay einspielte, und die im Mai diesen Jahres veröffentlicht wurde (Berlin Classics im Vertrieb von EDEL-Kultur).

Doch wurde bereits 20 Jahre zuvor, im Jahre 1645 das erste Kaffeehaus in Italien, am Markusplatz in Venedig, eröffnet. Zu jener Zeit war Barbara Strozzi, die ebenda geboren wurde, 26 Jahre alt. Ah, werden Sie nun vielleicht sagen, Barbara Strozzi, die Kurtisane, und möglicherweise werden Sie sich erinnern, daß jene Strozzi auch zu komponieren verstand. Denn diese Frau war mehr als "das"!

Sie überzeugte in der Tat und auch mit Worten, und was sie zu sagen hatte, sang sie. Bei einer von ihr geleiteten Debatte in der Accademis degli Unisoni widmete sie sich, und anderen, die Frage, ob nun denn die Tränen oder aber die Musik, die besseren Waffen in der Liebe seien. "Ihr wäret wohl nicht erschienen, mich weinen zu sehen, anstatt mich singen zu hören", sprach sie und sang. Barbara strotzte vor Leben und Tatendrang. Die alleine erziehende Mutter vierer Kinder sang und komponierte. Sie publizierte mehr als 125 Einzelwerke in insgesamt 8 Bänden. Ihre Kompositionen und auch ihr Äußeres zeugen von außergewöhnlichem Formenreichtum. Das bekannteste ihrer Bilder zeigt sie sehr freizügig, mit ihrem zur Hälfte entblößten Oberkörper.

Eine Arie aus einer ihrer bekanntesten Kompositionen hat das Pera Ensemble mit auf die CD "Café" gepackt. In ihrer so einzigartigen Art begleiten die Musiker des Ensembles den rumänischen Countertenor Valer Barna-Sabadus bei der Arie "che si puo fare" aus der gleichnamigen Kantate. Oh, was hätte Frau Strozzi der Gesang und die Erscheinung dieses Sängers gefallen!

Freizügigkeit und Musikalität war zu jener Zeit in Venedig durchaus nicht sehr ungewöhnlich. Venedig entwickelte schon vor sehr langer Zeit eine Affinität zur weiblichen Musikalität, und auch zum Kurtisanentum. Es war gar ein Phänomen einer Zeit, daß die Beschäftigung mit der Musik in besonderem Maße den Kurtisanen vorbehalten war. Der Musik maß man eine ganz besondere erotische Bedeutung zu und für die Erotik waren offiziell ganz bestimmte Frauen zuständig. Und Barbara war eine ganz bestimmte Frau. Und eine ganz besondere, ganz bestimmte Frau. Barbara Strozzi, eine Frau die sich vor fast 400 Jahren, ohne Hilfe einer Beauftragten, in vielerlei Hinsicht den Männern gleich zu stellen wußte, und zu der man gerne auch mal auf einen Kaffee gehen konnte.

Auf der CD "Café" behauptet sie sich als einzige Komponistin gegen ihre männlichen Kollegen, wie etwa Lully, Porpora, Vivaldi, Händel, Sanz, Ebu Bekir Aĝa. Den letzt genannten kennen Sie nicht? Nun, dann haben Sie nun die Gelegenheit dies zu ändern, denn nicht nur der Türkentrank (nein, nicht etwa Raki, es ist der Kaffee!) sondern auch diese ganz besondere Einspielung geht mir ans Herz! Sinnlich und belebend ist diese Musik, wie der Kaffee! Der Leiter des Pera Ensembles, Mehmet C. Yeşilçay, sagte dazu: "Kaffee ist das flüssige Sinnbild der barocken Türkenmode. Quer durch die Epoche finden wir die Begeisterung für orientalische Lebensart, sei es in der Architektur, in der Mode oder im Lebensstil. Und natürlich in der Musik!"

Café, Musik, das Pera Ensemble, Mehmet C. Yeşilçay, Valer Barna-Sabadus, Sultan Murat... oh, zu alledem lohnt es sich noch viel mehr zu erfahren, und das Booklet, welches der CD beiliegt enthält ausgesprochen unterhaltsame und lehrreiche Informationen. Doch vor allem lohnt es sich, diese Musik zu genießen, am besten bei einer Tasse Café! Doch ich muß Sie warnen: auch ohne Kaffee geht diese Musik ans Herz!

Wie lautet der Untertitel der CD "Café"? Wenn Sie mir die korrekte Antwort auf diese Frage bis zum kommenden Mittwoch an klassik@habmalnefrage.de senden, stehen Ihre Chancen recht gut, ganz bald in den Genuß dieser Musik zu kommen. Doch auch wenn Sie "Café" kaufen, diese Musik ist und bleibt ein Gewinn!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt