Die Welt von oben

Über Jahrhunderte war der Mensch von der Idee getrieben, sich von der Erde zu lösen, in die Lüfte zu erheben und die Welt vom Himmel aus zu betrachten. Die Befreiung von der als limitierend empfundenen Erdgebundenheit war verbunden mit der Idee von Macht und Kontrolle. In der Vorstellung war der Himmel den Göttern vorbehalten, die durch die menschliche Hybris, sich zu ihnen zu erheben, herausgefordert wurden.

Der Fall des Ikarus bildete einen wirkmächtigen Präzedenzfall für diejenigen, die sich in den Göttern vorbehaltene Sphären begeben wollten. Der Blick von Oben blieb für lange Zeit ein göttliches Privileg. Nur mit Hilfe von Kunstwerken wurde den Menschen diese Perspektive ermöglicht.

Als sich jedoch Ende des 18. Jahrhunderts erste Ballone in die Luft erhoben, mussten die Götter den Himmel mit den Menschen teilen. Die himmelstürmenden Luftfahrtpioniere brachten seither neben immer neuen technischen und fliegerischen Höchstleistungen auch gänzlich neue Bilder von ihren Flügen zurück. Die grundlegend neue Erfahrung bestand darin, die Welt, wie man sie von oben erfassen konnte, als eine Ansammlung von Mustern, Linien und Schattierungen lesen lernen zu müssen.

Dies hatte gewaltige Auswirkungen auf die Art, die Welt und unsere Stellung in ihr zu sehen. Gerade die Kultur des 20. Jahrhunderts erhielt davon wichtige Impulse. So antwortete die Malerei mit der Erfindung der Abstraktion zum einen auf neue fotografische Möglichkeiten und verlangte von ihren Betrachtern zum anderen ähnlich wie ein Pilot Muster und Farbflächen zu interpretieren. Die Zentralperspektive der Renaissance verlor an Bedeutung und die Vogelperspektive setzte zu einem Siegeszug an. Heute ist sie nicht nur in der Kunst allgegenwärtig. Satelliten überwachen die Daten- und Verkehrsströme auf der Erde und Drohnen überfliegen die entferntesten Gebiete. Auch hierauf reagiert die Kunst, indem sie die neuen Sichtweisen kritisch aufnimmt und in Fotografien, Videofilmen und Installationen aufarbeitet.

Die Ausstellung "Die Welt von oben – Die Vogelperspektive in der Kunst" im Zeppelin Museum Friedrichshafen versucht, anhand ausgesuchter Kunstwerke diese Zusammenhänge von technischer und künstlerischer Innovation nachzuzeichnen und den großen Einfluss der Kunst auf unsere Weltwahrnehmung aufzuzeigen. Beteiligte Künstler sind Max Ackermann, Thom Barth, Armin Boehm, Andreas Feininger, Leonie Felle, Christoph Gielen, Johanna Jaeger, Achim Mohné & Uta Kopp, Junebum Park, Mady Piesold, Christian Ring, Pat Rosenmeier, Marcus Schwier, Conrad Sevens, Eduard Spelterini, Anton Stankowski und Wladimir Tatlin & Jürgen Steger.

Die Welt von oben
Die Vogelperspektive in der Kunst
11. Oktober 2013 bis 12. Januar 2014