Die Welt von Fabergé

Im Rahmen der russisch-österreichischen Kultursaisonen widmet das Kunsthistorische Museum dem wohl bedeutendsten und einflussreichsten russischen Juwelier und Goldschmied der Zeit um 1900, Peter Carl Fabergé, und dem kaiserlich-russischen Kunstgewerbe seiner Zeit eine umfangreiche Ausstellung. Mit über 160 erlesenen Pretiosen aus dem Kreml-Museum und dem Fersman Mineralogischen Museum in Moskau beleuchtet diese Ausstellung die herausragende Kunst Fabergés, stellt sie in den Kontext der zeitgleichen russischen Goldschmiedekunst und beschäftigt sich mit der Rolle der russischen Zarenfamilie als Auftraggeber.

Erstmals zeigen zwei der größten Moskauer Museen einen Teil ihrer Sammlungen im Kunsthistorischen Museum. Beide Museen, die Museen des Moskauer Kreml und das Fersman Mineralogische Museum, sind in ihrer Geschichte und Sammlungsstruktur mit den ehemaligen kaiserlichen Sammlungen des Kunsthistorischen Museums vergleichbar, gehen jene doch auf die Kunstsammlungen der russischen Zaren zurück. Das Kreml-Museum war deren Schatzkammer, das Mineralogische Museum entstammt der Kunstkammer von Peter dem Großen.

In Ersterem, der Schatzkammer der russischen Zaren, nimmt die Sammlung der russischen Goldschmiede- und Juwelierkunst aus der zweiten Hälfte des 19. und vom Anfang des 20. Jahrhunderts einen festen Platz ein. Diese Objekte wurden von den führenden russischen Firmen C. Fabergé, P. Owtschinnikow, I. Chlebnikow, W. Semjonow, F. Köchli und anderen hergestellt. Weitere einzigartige Werke von Peter Carl Fabergé und der mit ihm zusammenarbeitenden kaiserlichen Steinschnittunternehmen befinden sich im Besitz des Mineralogischen Museums.

Mit dem Namen Fabergé verbindet man außergewöhnliche Schmuckkreationen – virtuoses, mit höchstem gestalterischen und technischen Können aus edelsten Materialien gefertigtes Kunsthandwerk. Das gilt insbesondere für jene Werke, die Peter Carl Fabergé ab 1885 als kaiserlicher Hoflieferant für die letzten russischen Zaren schuf. 1872 übernahm Peter Carl Fabergé, die Leitung der Firma seines Vaters. Parallel dazu nahm er Restaurierungsarbeiten an historischen Gold- und Silberobjekten in der Eremitage vor und half bei der Neuordnung der kaiserlichen Schatzkammer.

Wohl auch unter dem Einfluss dieser intensiven Auseinandersetzung mit historischer Schatzkunst verlagerte sich der Fokus des Familienunternehmens allmählich von einer reinen Juwelierfirma hin zu einem Unternehmen, dessen bemerkenswerteste Leistungen die sog. objets de fantaisie, funktionsbefreite Kleinkunstwerke, werden sollten, die ihrem Charakter nach Kunstkammerstücken nahekommen. Diese Objekte, zu denen neben von barocken Edelsteinsträußen inspirierten floralen Etüden auch von japanischen Netsukes abgeleitete Tierfigürchen aus Edel- und Schmucksteinen gehören, veranlassten die Jury der Pariser Weltausstellung von 1900 zu der euphorischen Feststellung, dass diese Arbeiten "an der Grenze zur Vollkommenheit [stünden] – dort, wo Juwelierwaren sich in wirkliche Kunstwerke verwandeln".

Neben diesen Arbeiten begründeten vor allem die Ostereier, die Peter Carl Fabergé mit seinen Werkmeistern für das russische Kaiserhaus fertigte, den Ruhm der Firma und sie waren es auch, die deren Leiter den Beinamen "Cellini des Nordens" einbrachten.

Das erste kaiserliche Fabergé-Ei wurde 1885 für die Gattin von Alexander III., die Zarin Maria Fjodorowna (eine dänische Prinzessin mit dem ursprünglichen Namen Dagmar) angefertigt. Als Inspirationsquelle diente ein Osterei vom Anfang des 18. Jahrhunderts, das sich in den königlich dänischen Sammlungen befindet. Neben diesem barocken Ei sind heute noch zwei weitere bekannt, eines davon in der Kunstkammer Wien. Diese goldenen Eier zeichnen sich dadurch aus, dass sich in ihrem Inneren eine emaillierte Henne in einem Nest aus Brillanten befindet. In dieser Henne wiederum liegt eine Krone, in der sich wiederum ein Ring versteckt. Fabergé schuf nach diesem Vorbild ein weiß emailliertes Gold-Ei mit einer Henne, einer Krone und einem weiteren Ei aus Rubin im Inneren.

Dieses "Hühnchen"-Ei gefiel Alexander III. und seiner Gattin, der Zarin Maria Fjodorowna, für die es als Geschenk bestimmt war, so gut, dass es von da an zur Tradition wurde, Bestellungen aufzugeben. Jedes Jahr zur Karwoche übergab der Inhaber der Firma den kaiserlichen Auftraggebern ein Osterei, wobei Fabergé die Zarenfamilie immer wieder durch die Neuartigkeit des Themas und die Pracht der Goldschmiedearbeit überraschte. Nach dem Tod von Alexander III. begannen während der Regierungszeit seines Sohnes die Meister der Firma, jeweils zwei Ostergeschenke anzufertigen: für die Zarin-Witwe Maria Fjodorowna und für die Frau von Nikolaus II., Alexandra Fjodorowna. Jedes neue Ei durfte dem vorherigen nicht gleichen und musste dieses durch den Einfallsreichtum in Hinblick auf die Komposition und eine ungewöhnliche künstlerische Gestaltung übertreffen.

Insgesamt schuf Fabergé 50 Ostereier für die Zarenfamilie, 42 davon sind noch heute erhalten. In der Ausstellung werden vier dieser Eier gezeigt: das Osterei mit einem Modell des Kreuzers "Pamjat Asowa" aus dem Jahr 1891, das Osterei mit dem funktionstüchtigen Modell eines Zuges der transsibirischen Eisenbahn (1900), das große Kreml-Ei und das Ei mit dem Sternbild des Zarewitsch – das letzte, das begonnen wurde, aber aufgrund der Ereignisse des Ersten Weltkrieges und der Revolution 1917 nicht mehr vollendet werden konnte. Gerade das Ei mit dem Sternbild des Zarewitsch kann gleichsam als Symbol eines untergehenden Reiches gesehen werden.

Neben vier Eiern zeigt die Ausstellung Erzeugnisse der Firma Fabergé aus dem persönlichen Besitz der Mitglieder des russischen Zarenhauses. Darunter finden sich kunstvoll gefertigte Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie Zigarettenetuis, Schreibtischzubehör, Siegel oder Fächer. Ein besonderes Augenmerk legt die Ausstellung aber auf eine Sparte der russischen Kunstproduktion der Wende zum 20. Jahrhundert, die nirgendwo in einer so hohen Qualität bis in diese Zeit weitergeführt wurde wie in Russland: den Steinschnitt.

Damit spannt die Ausstellung auch den Bogen zu den ehemals kaiserlichen Sammlungen und hier vor allem der Sammlung der Kunstkammer Wien. In diesem Metier, das bis ins 17. Jahrhundert als d i e fürstliche Kunstform galt, erregten die kaiserlich-russischen Steinschleifereien von Peterhof und Jekaterinburg im 19. Jahrhundert weltweit Aufsehen. Peter Carl Fabergé baute in St. Petersburg eine eigene Werkstatt für Steinschnitt auf. Hier entstanden neben kostbaren Gefäßen vor allem aus Schmucksteinen geschliffene Tierfigürchen, die am kaiserlichen Hof und in der vornehmen Gesellschaft gerne als Anspielung auf das Äußere oder auf Charakterzüge des Empfängers verschenkt wurden. Über dreißig dieser erlesenen Steinschneidearbeiten der kaiserlichen Steinschleifereien und der Firma Fabergé, die neben Tieren und Pflanzen auch die menschliche Figur zum Thema haben, werden in der Ausstellung gezeigt.

Ein weiterer Akzent liegt auf den Emailarbeiten, die von der Firma Fabergé in so überaus kunstreicher Weise hergestellt wurden, und dem reichen Juwelenschmuck. In Russland hat sich kaum Juwelenschmuck von Fabergé erhalten, da dieser meist umgearbeitet wurde, wobei die kostbaren Steine eine neue Verwendung fanden. Eine wichtige Ausnahme bildet eine Gruppe herrlicher Schmuckstücke, die in den 1990er Jahren beim Umbau eines Hauses in Moskau gefunden wurden. Wie sich herausstellte, waren diese Schmuckstücke von einem der Direktoren der Beteiligungsgesellschaft C. Fabergé versteckt worden, sie überdauerten so die Wirren des 20. Jahrhunderts und konnten ihrer Vernichtung entgehen. Diese seltenen Stücke werden ebenso in der Ausstellung zu sehen sein wie weitere Paradestücke russischer Juwelierkunst.

In der Ausstellung wird somit deutlich, dass die Berühmtheit des Namens Fabergé nicht nur auf den Ostereiern basiert, sondern auf der gesamten Bandbreite des Schaffens dieses größten und wichtigsten Juwelier- und Goldschmiedeunternehmens Russlands. Zugleich geht aus der Ausstellung hervor, dass Fabergé im Russland der Zeit um 1900 kein Einzelphänomen war. Die Arbeiten Fabergés werden nämlich jenen weiterer, in unseren Breiten weniger bekannter, doch ebenso hochkarätiger Hoflieferanten wie Bolin, Carl Blank, P. Owtschinnikow und I. Chlebnikow gegenübergestellt.

Auf diese Weise wird ein möglichst umfassendes Bild jenes russischen Kunstgewerbes gezeigt, das in der zweiten Hälfte des 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Umfeld des Zarenhofes blühte. Diese Einblicke in die Welt von Fabergé können nicht zuletzt als Symbole eines letzten Aufbäumens einer Herrschaft gegen die bevorstehenden Umwälzungen des 20. Jahrhunderts (v. a. Erster Weltkrieg und Februarrevolution 1917) verstanden werden – Symbole der Macht und des Versuchs der Aufrechterhaltung einer im Untergehen begriffenen Ordnung.

Die Welt von Fabergé
Aus den Sammlungen des Moskauer Kreml Museums
und des Fersman Mineralogischen Museums
18. Februar bis 18. Mai 2014