Die Vermessung der Welt

7. Mai 2011 Bernhard Sandbichler
Bildteil

... hat nicht nur Daniel Kehlmann erfolgreich unternommen. Die Bücher "Wo geht"s lang? Karten erklären die Welt" und "Seit wann ist die Erde rund? Wie sich die Völker unseren Planeten vorstellten" führen sie grandios vor Augen: mit weit weniger Worten, aber weit mehr aussagestarken Bildern!

1. Die Story: "Wo geht"s lang?" und "Seit wann ist die Erde rund" – das sind zwei Fragen, aus denen sich viele weitere Fragen ergeben und Geschichten, die sie beantworten. Zum Beispiel: Warum bebt die Erde hin und wieder? Weil sich die Schlange, auf der die Erde ruht, hin und wieder bewegt; oder aber: Weil der Büffel, auf dessen Hörner die Erde liegt, von Insekten gestochen wird und sich kratzt. Oder: Schwebt die Erde? Ja: Sie ist aus Stein, dreimal so breit wie tief und schwebt im unendlichen All. (Anaximander) – Na ja, Die Erde ist doppelt so lang wie breit. Die Sterne hängen wie Lampen am Himmel, Engel schütten Regen auf die Erde, und sie selber schwebt weder in der Luft, noch schwimmt auf dem Wasser. Nein – sie liegt in einer Truhe! Und die Truhe schwebt im Nichts. (Kosmas) Geografie hat sehr viel mit Fantasie zu tun!

2. Der Held: Bei Guillaume Duprat ist es gleich die ganze Welt, je nachdem ganz oben, unterirdisch, schwebend (oder nicht), eckig, kreisförmig, gewölbt, hohl, kugelig; Heeyoung Kim führt noch weiter: zu den Sternen, zu Städten- und Gebäuden, zu U-Bahn-Linien und Satelliten, zum Navi und Genom (also zur Karte in unserem Körper, die uns sagt: "In wen du dich einmal verlieben wirst, bleibt ein Geheimnis."). Am Schluss ist der Vorhang auf der Bücherbühne zwar zu, aber alle Fragen offen: "Was sagen diese Karten uns nur?"

3. Der Sound: Heckyoung Kim ist sehr poetisch, liefert aber auch einen Sachteil separat mit. Dem sachkundigen Guillaume Duprat hört man ebenfalls gern zu.

4. Coole Worte: Die Kartografen und Geografen machen uns mit Wortklängen vertraut, die wir ohne sie nie vernehmen würden. Bitte hinhören: Ailinglapalap, Minangkabau, Wayapi, Ngaju, Ibn Haukal, Zhoubi suanjing.

5. Coole Bilder: Seit er zehn Jahre alt ist, sammelt der französische Autor und Illustrator Guillaume Duprat in Mythologie, Anthropologie, Geschichts- und Religionswissenschaften Bilder von der Welt. Sein Buch ist sogar verfilmt worden: http://cinquiemeetageproduction.com/blog/category/productions/terresimag.... In Deutschland wurde es 2010 zum "sachkundigsten Jugendbuch" des Jahres. Seine eigene Male – Duprat aquarelliert – ist im besten Sinn naiv und im Buch auch aufklappbar. Krystyna Lipka-Sztarballo (die für das Karten-Buch verantwortlich zeichnet) ist eine äußerst vielseitige Illustratorin. Da kann man nur den Hut ziehen!

6. Zum Nachdenken: "Stell dich auf den Kopf, dann siehst du die Welt richtig herum." Das sagt uns die Weltkarte des weitgereisten arabischen Geografen al-Idrisi, der im 12. Jahrhundert in den Diensten von König Roger II. von Sizilien stand. Auch bei den Yekuana-Indianern Venezuelas ist es so: Auf der einen Seite ist die Erde so, auf der anderen genau umgekehrt. Wenn hier Tag ist, herrscht dort Nacht. Die Menschen stehen kopf. Das ist nur eine der schönen Überschneidungen dieser beiden Bücher. So wie man beide Seiten der Erde kennen sollte, sollte man diese beiden Bücher unbedingt zusammen haben.

7. Die Bücher: Heekyoung Kim, Krystyna Lipka-Sztarballo: Wo geht"s lang? Karten erklären die Welt. Aus dem Koreanischen von Hans-Jürgen Zaborowski. Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2011, 48 Seiten; Guillaume Duprat: Seit wann ist die Erde rund? Wie sich die Völker unseren Planeten vorstellten. Aus dem Französischen von Stephanie Singh. München: Knesebeck Verlag 2009, 61 Seiten

8. Die AutorInnen: Heekyoung Kim, geboren 1977 in Busan, Korea, hat Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Sie arbeitet als Museumspädagogin am Kunstmuseum Seoul. Guillaume Duprat arbeitet als Produktionsleiter für www.editions-ulmer.fr.