Den Lichthof des Vorarlberg Museums füllt derzeit ein 16 Meter langer, kreisförmig aufgehängter Quilt. Die textile Arbeit stammt von Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie setzt sich mit den Verflechtungen von Textilindustrie und kolonialem Erbe auseinander.
Ein Thema, das zunehmend ins öffentliche Bewusstsein rückt und Vorarlberg stark betrifft. So betrieben Textilindustrielle aus Feldkirch im 19. Jahrhundert im US-Bundesstaat Georgia eine auf Sklavenarbeit basierende Baumwollproduktion.
Der raumgreifende Quilt im Vorarlberg Museum ist Kunstwerk und Recherchemethode zugleich - eine haptische Annäherung an Beziehungen, Erinnerungen und Geschichte. Er verbindet geografisch weit entfernte Orte und verwebt Städte wie Lustenau, Lagos, St. Gallen, Wien und Dakar zu einem vielstimmigen Gewebe aus Erinnerung, Widerstand und möglicher Zukunft. Jedes einzelne Fragment dieses Quilts erzählt seine eigene Geschichte: von Ausbeutung und Gewalt, von Handel, aber auch von der traditionellen Textilherstellung in Afrika. Materialien wie Baumwolle, Leinen, Damast und feine Stickereien tragen die Spuren kolonialer Verflechtungen ebenso wie die von alltäglicher Fürsorge und Widerständigkeit. Der Stoff selbst wird zum Zeugnis: von Machtverhältnissen, Zugehörigkeiten und Wissen, das durch Hände und Körper wandert und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Künstler:innen arbeiten mit unterschiedlichen Techniken der Textilproduktion: Sie sticken, weben, stanzen, häkeln, färben - nicht nur um zu gestalten, sondern auch um zu erinnern, zu hinterfragen und neue Verbindungen zu knüpfen - jenseits kolonialer Ordnungen.
Im Zuge ihrer Recherchen reiste das Künstler:innenkollektiv der Akademie der bildenden Künste Wien im vergangenen Jahr auch nach Dakar und Lagos. Sie erfuhren, dass im 17. Jahrhundert in Europa produziertes Leinen in Westafrika gegen versklavte Menschen eingetauscht wurde. Dass die verwendete Baumwolle oft von Plantagen stammte, die auf Sklavenarbeit basierten. Joseph und Ludwig Ganahl aus Feldkirch wurden 1828 im US-Bundesstaat Georgia eingebürgert und betrieben dort eine solche Baumwollplantage. Auch Kaufleute aus der Region, wie der St. Galler Hieronymus Sailer und der Konstanzer Ulrich Ehinger, waren bereits im 16. Jahrhundert im Sklavenhandel aktiv. Sie verschleppten Tausende von Menschen aus Westafrika. So profitierte die hiesige Textilproduktion vom Kolonialismus.
Geschichten wie diese sind in den ausgestellten Quilt eingewoben. Quilten ist eine jahrtausendealte Technik, bei der mehrere Stofflagen zusammengenäht werden. In Europa und Amerika hat sich das Quilten zu einer Kunstform und einem erzählerischen Medium entwickelt, das oft kulturelles Erbe darstellt.
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26. April bis 29. Juni 2025
Vorarlberg Museum | Atrium
Bei der Eröffnung (Freitag, 25. April, 17.00 Uhr) dieser Ausstellungskooperation mit der Akademie der bildenden Künste Wien stellen einige der beteiligten Künstler:innen ihre Arbeit vor:
Anette Baldauf, Milou Gabriel, Sasha Huber, Janine Jembere, Susanna Delali Nuwordu, Esther Ojo, Anabel Roque Rodríguez, Jumoke Sanwo, Mariama Sow und Katharina Weingartner.