Die Unzertrennlichen - Dead Ringers

13. Dezember 2018 Walter Gasperi
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Nach einem authentischen Fall entwickelte David Cronenberg 1988 einen leisen, aber ungemein konzentrierten Psychothriller über die zerstörerische Abhängigkeit zweier Zwillingsbrüder. Bei Koch Media ist das Meisterwerk des kanadischen Regisseurs in einer 3-Disc-Special Edition auf DVD und Blu-ray sowie mit vielfältigen Extras erschienen.

Als Hintergrund für seinen Psychothriller diente David Cronenberg der Fall der beiden New Yorker eineiigen Zwillinge Stewart und Cyril Marcus. Sie waren als Gynäkologen erfolgreich, arbeiteten und lebten zusammen, bis sie am 17. Juli 1975 in ihrer Luxuswohnung in Manhattan vom Hausmeister in stark verwestem Zustand tot aufgefunden wurden. Die eigentliche Vorlage für den Film bildet aber Bari Woods und Jack Geaslands 1977 erschienener Roman "Twins", der auf diesem Fall basiert, den Cronenberg aber teilweise stark veränderte.

Schon eine kurze 1954 spielende Szene präsentiert die Zwillinge Elliot und Beverly Mantle als gefühlskalt, wenn die etwa 12-Jährigen Buben ein Mädchen rein aus experimentellen Gründen zum Sex auffordern. Schon hier zeigt sich beim Zerlegen einer Puppe ihr Interesse am Körper, das noch deutlicher 1967 während des Medizin-Studiums zu Tage tritt.

Mit einem weiteren Schnitt ist der Film schon 1988 angekommen und die Haupthandlung kann einsetzen. Wie die realen Vorbilder sind die Mantle-Zwillinge renommierte Gynäkologen, die nicht nur zusammen arbeiten, sondern auch zusammen leben. Äußerlich kann man sie so wenig unterscheiden, dass der eine auch problemlos in die Rolle des anderen schlüpfen kann, innerlich unterscheiden sie sich aber stark.

Denn während Elliot ein Womanizer ist, der Patientinnen verführt und sich gerne in der Öffentlichkeit präsentiert, ist Beverly der introvertierte Forscher. So erobert Elliot für Beverly die Frauen und gibt sie dann quasi an seinen Zwillingsbruder ab. – Brillant wird diese Doppelrolle von Jeremy Irons gespielt.

Durch die klinisch sauberen aseptischen Räume sowie die kalten Farben, aus denen nur das leuchtende Rot der Operationskittel herausleuchtet, evoziert Cronenberg eindrücklich ein Klima der Kälte und Gefühlslosigkeit. Gleichzeitig entwickelt "Die Unzertrennlichen" durch den langsamen, meisterhaft kontrollierten Erzählrhythmus und die reduziert, aber präzise eingesetzte großartige Musik von Howard Shore einen Sog und eine sich langsam steigernde innere Spannung, der man sich kaum entziehen kann.

Aus der Balance gerät das Leben und die Beziehung der Brüder, als eine bekannte Schauspielerin (Geneviève Bujold) in ihre Ordination kommt. Beide schlafen mit ihr, aber sie durchschaut das Spiel bald, greift den aalglatten Elliot offen an, während der sensible Beverly, der sich in die Schauspielerin verliebt hat, mit der Situation nicht zurechtkommt und zunehmend in eine Krise und in eine Drogensucht schlittert.

Gleichzeitig kommt aber Elliot nicht damit zurecht, dass ihm nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Bruders gilt und er versucht ihn folglich zurückzugewinnen und wieder fest an sich zu binden. Während Beverly nicht von der Sucht loskommt, steigert sich Elliot so immer mehr in Wahnvorstellungen.

Der für David Cronenberg typische Körperhorror, den er in seinen frühen Filmen bis zu "Die Fliege" immer wieder zelebrierte, fehlt hier abgesehen von einer Sequenz, in der Beverly träumt, von dem mit ihm verwachsenen Bruder gewaltsam getrennt zu werden, dennoch dominiert das Thema Körper und dessen Verhältnis zur Psyche den Film.

Einerseits untersuchen nämlich die Protagonisten als Gynäkologen weibliche Körper und glauben nach ihrer Ansicht fehlgebildete oder mutierte weibliche Unterleiber korrigieren zu müssen, andererseits spürt Cronenberg der Abhängigkeit von Zwillingen nach, die zwar physisch getrennt sind, aber gleichzeitig eine enge innere Beziehung haben. Während sie mit ihren Eingriffen unfruchtbaren Frauen ermöglichen Kinder zu gebären und so quasi Leben erschaffen, sind sie selbst in ihrer Fixierung aufeinander unfähig, Kinder zu zeugen.

Der Verzicht auf alles Spekulative und Spektakuläre und die ebenso konzentrierte wie kühl-sachliche Inszenierung machen "Die Unzertrennlichen" dabei in Verbindung mit der handwerklichen Perfektion zu einem Meisterwerk des Psychothrillers, das es an Spannung und inhaltlicher Tiefe auch mit den besten Filmen Alfred Hitchcocks aufnehmen kann.

An Sprachversionen verfügt die bei Koch Media erschienene 3-Disc-Special Edition über die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Neben DVD und Blu-ray des Films mit – allerdings nur englischen - Audiokommentaren des Cronenberg-Experten William Beard sowie des Hauptdarstellers jeremy Irons, dem englischen Trailer und einer Bildergalerie bietet die dritte DVD zahlreiche weitere deutsch untertitelte Extras.

Der Bogen spannt sich hier von einem Interview mit David Cronenberg, Jeremy Irons, dem Produzenten Marc Boyman und dem Drehbuchautor Norman Snider sowie Interviews mit den Schauspielern Heidi von Palleske, Stephan Lack, dem Kameramann Peter Suschitsky und dem Special Effects Designer Gordon Smith bis zu einem Feature über die Erzeugung des "Zwillingeffekts". Abgerundet werden diese Extras durch ein sehr informatives 24-seitiges Booklet von Oliver Nöding.

Trailer zu "Die Unzertrennlichen - Dead Ringers"