Der für seine sensiblen und genauen Bilder bekannte Fotograf und Medienwissenschaftler Kurt Kaindl hat auf mehreren Reisen zusammen mit dem bekannten Schriftsteller Karl-Markus Gauß Orte und Menschen besucht, die gewöhnlich außerhalb öffentlicher Wahrnehmung liegen. Eine Auswahl der dabei entstandenen Fotos sind in der Ausstellung "Die unbekannten Europäer" im Wiener Volkskundemuseum zu sehen. Kaindls Bilder und Gauß" Texte öffnen dem Publikum behutsam den Blick für das Wesen europäischer Minderheiten und legen in Fotos und Texten ein leises, aber starkes und überzeugendes Plädoyer für das unbekannte Europa – jenseits von Maastricht und Brüssel – vor.
In den vergangenen Jahren ist Kurt Kaindl gemeinsam mit dem Schriftsteller Karl-Markus Gauß viel an den Rändern Europas unterwegs gewesen, um dort einige der kleinsten Nationalitäten und kulturellen Minderheiten zu besuchen. Es handelt sich dabei um Volksgruppen, die einen eigenen Nationalstaat weder anstreben noch errichten wollen und sich doch die eigene Sprache sowie eine ausgeprägte kulturelle Eigenständigkeit erhalten haben. Im Einzelnen wurden Arbëreshe, Aromunen, Assyrer, Roma von Svinia (Degesi), Gottscheer, Memeldeutsche, Schwarzmeerdeutsche, Sepharden, Sorben, Tataren, Zimbern und Zipser besucht. Während der längeren Aufenthalte bei diesen Ethnien sprachen die Autoren mit deren politischen und kulturellen Repräsentanten. Vor allem aber haben sie den dörflichen oder städtischen Lebensraum dieser Menschen und ihre alltägliche Kultur sowie ihre Feste und Feiertage dokumentiert. Das Projekt baut auf zwei Publikationen auf und wird laufend erweitert.
Die Fotos zeigen ein anderes Europa, in dem sich Identitäten zu behaupten suchen und dabei doch die tägliche kulturelle Grenzüberschreitung praktizieren. Da sich diese Völker niemals auf die Enge des Nationalstaatlichen einließen, sind paradoxerweise gerade sie, die kaum jemand kennt, nicht nur Zeugen eines alten vergessenen Europa, sondern auch Wegbereiter eines künftigen Europa, in dem nationale Grenzen gefallen sind und dennoch keine Einheitskultur entstehen, sondern sich ethnische, religiöse, sprachliche und kulturelle Vielfalt entfalten soll.
Kurt Kaindl, 1954 in Gmunden geboren, Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg, parallel dazu Ausbildung als Fotograf am Salzburg College, 1981 Gründungsmitglied der Galerie Fotohof, seit 1975 Fotoausstellungen eigener Arbeiten. Lehraufträge zur Geschichte und Theorie der Pressefotografie an den Universitäten Salzburg, München, Bamberg, Eichstätt und der "Georgia State University" in Atlanta. Diverse Publikationen zur österreichischen Fotogeschichte. Eigene Bildbände: "Innergebirg. Wege in die Tauern" (1986, gemeinsam mit Heinz Cibulka, Text von Harald Waitzbauer), "Wurzmühle. Industriearchäologie aus dem oberen Waldviertel" (1994, Text von Harald Waitzbauer) und "Abfischen" (1997, Text von Hans Eichhorn). Herausgeber der Edition Fotohof im Otto Müller Verlag. Lebt als Fotograf und freier Medienwissenschaftler in Salzburg.
Karl-Markus Gauß wurde 1954 in Salzburg geboren, wo er als Autor und Herausgeber der Zeitschrift "Literatur und Kritik" lebt. 2001 veröffentlichte er unter dem Titel "Die sterbenden Europäer" im Zsolnay-Verlag ein Buch über die Reisen zu den unbekannten Völkern Europas. Zuletzt erschien von ihm das Journal "Mit mir, ohne mich".
Die unbekannten Europäer
Eine fotografische Reise von Kurt Kaindl mit Texten von Karl-Markus Gauß
26. Oktober 2007 bis 23. März 2008
Gartenpalais Schömborn