Die Spitze tanzt. 150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper
Das Wesen des klassischen Balletts im traditionsreichen Opernhaus am Ring steht im Zentrum der von Andrea Amort kuratierten Ausstellung. In acht Stationen wird Merkmalen nachgespürt, die die Geschichte des Ballett-Ensembles von der Kaiser-Zeit über das 20. Jahrhundert bis zur unmittelbaren Gegenwart prägen: darunter Dem Adel verpflichtet, Fanny Elßler – Role model, Wiener Dramaturgie sowie Paris & Wien. Thematisiert wird auch das Schaffen markanter Persönlichkeiten wie Josef Hassreiter, Gerhard Brunner, Rudolf Nurejew, Renato Zanella und Manuel Legris. Die Schau ist eine Kooperation mit dem Wiener Staatsballett.
Die Anfänge des Wiener Balletts gehen bis in das frühe 17. Jahrhundert zurück. Unter Kaiser Leopold I., der selbst tanzt und komponiert, treten neben den höfischen Tänzern mehr und mehr Berufstänzer in Erscheinung. Maria Anna Scio ist 1719 die erste Berufstänzerin im Ballett-Ensemble. Im frühen 18. Jahrhundert werden das Kärntnertortheater und das Theater nächst der Burg zu Spielstätten des Balletts. Unter der Regentschaft von Kaiserin Maria Theresia wird Wien zum europäischen Zentrum der Ballettreform, die zur Ausprägung des Handlungsballetts führt. Auch die Ära des Frühromantischen Balletts wird maßgeblich von Wien bestimmt.
Mit der Übersiedlung in die neu erbaute Hofoper am Ring (1869) beginnt für das Ballettensemble eine Phase der Konsolidierung. Maßgeblich von den Choreografen Carl Telle, Paul Taglioni als Gast und Josef Hassreiter bestimmt, repräsentiert es mit unterhaltenden großformatigen Schaugeprängen die Habsburger Monarchie. Künstlerisch orientiert man sich zwar am internationalen Geschehen, bildet aber zunehmend nationale Themen aus. Hassreiters Ballett Die Puppenfee (1888) wird zum Welterfolg. Bis 1918 stets dem politischen Adel in Inhalt und Ästhetik verpflichtet, eröffnen sich dem Ballett des 20. Jahrhunderts, das zunehmend auf Individualität in Stil und Choreografie setzt, neue künstlerische Wege. An der Wiener Staatsoper legt nun der Operndirektor die Leitung und damit Ausrichtung des Ballettensembles fest.
In der Ära von Richard Strauss entwickelt Heinrich Kröller gemeinsam mit dem komponierenden Opernchef einen spezifischen Ballettspielplan. Danach bestimmt zunehmend ein Wechselspiel von Klassik und Moderne das Erscheinungsbild des Ensembles. International ausstrahlende Perioden folgen: etwa jene von Erika Hanka (1942–1958), die auch die Ballett-Eröffnungspremiere 1955 in der renovierten Staatsoper der Zeit entsprechend festlegt: Giselle als Besinnung auf die Klassik und Der Mohr von Venedig von Boris Blacher als Uraufführung. Aurel von Milloss beauftragt in seiner ersten Wiener Ära (1963–1966) Rudolf Nurejew mit der Neuinszenierung von Schwanensee. Gerhard Brunner (1976–1990) setzt auf eine anspruchsvolle Wiener Dramaturgie – musikalisch und choreografisch. Er bindet Jiří Kylián, Hans van Manen, Rudi van Dantzig, John Neumeier und Jochen Ulrich wiederholt ans Haus, lädt William Forsythe ein und fördert junge ChoreografInnen.
Als intensiv choreografierender und junge KollegInnen unterstützender Direktor schreibt sich Renato Zanella (1995–2005) in die jüngere Wiener Ballettgeschichte ein.
2010 übernimmt Manuel Legris die Leitung der unter seinem Vorgänger Gyula Harangozó zusammengeführten Ensembles von Staatsoper und Volksoper, die seit 2005 unter dem Namen Wiener Staatsballett auftreten. Mit seinen genauen Vorstellungen von der Ästhetik eines Ensembles aus Pariser Sicht erzielt Legris eine stringente künstlerische Form, die den Ruf des Staatsballetts international erneuert. Die Weiterführung des Nurejew-Erbes bildet neben Legris’ klassischen Eigenproduktionen sowie zahlreichen modernen Choreografien einen Grundpfeiler der Repertoirepflege.
Die Spitze tanzt. 150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper
16. Mai 2019 bis 13. Jänner 2020
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