Unter dem Titel "Terra Incognita - Kunst-Expedition in ein unbekanntes Nachbarland" präsentiert das Museum Liaunig in Kärnten tschechoslowakische Kunst im Dialog mit Werken aus der Sammlung Liaunig.
Kurator Miroslav Haľák beschränkt sich dabei auf die Jahre 1948 bis 1989, die Phase der Teilung Europas, in der Österreich und die Tschechoslowakei in zwei unterschiedlichen Einflusssphären lagen und der gegenseitige Austausch der zuvor organisch gewachsenen soziokulturellen Nachbarschaft radikal unterbrochen wurde.
Da sich die Parameter der Kunstentwicklung in beiden Ländern nach ganz unterschiedlichen Kriterien formten und die Künstler:innen mit zum Teil völlig unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Herausforderungen arbeiten mussten, sich aber immer in einem historisch kompakten geographischen Raum befanden, ist die Ausstellung in so genannte "Territorien" gegliedert. Diese entsprechen der Variabilität und den individuellen Spezifika der Kunstproduktion in diesen Jahrzehnten. Ausgehend von den für die Postmoderne typischen Tendenzen zur Figuration, Abstraktion, Geometrisierung und Pluralisierung treffen die jeweiligen Künstler:innen aus Österreich und der Tschechoslowakei in einem inszenierten Dialog aufeinander. Dabei werden konkrete Phänomene beleuchtet, die sich in den vier Jahrzehnten des Kalten Krieges teils kontinuierlich, teils parallel, teils unterschiedlich entwickelt haben.
Es gibt wohl kaum einen Begriff, der in der Kunst der ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts so sehr im Umlauf ist wie der des "Postkolonialen". Er steht im zeitgenössischen Kunstbetrieb für den notwendigen Blick über die emanzipierten Kunstzentren hinaus auf Produktionen in Ländern, die lange und opferreich um Unabhängigkeit kämpften. Der Begriff verleitet jedoch dazu, das Problem aus der Perspektive der fatalen Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts in außereuropäischen Regionen zu betrachten. Das Problem ist aber viel komplexer und komplizierter. Auf dem Kunstmarkt, der immer nach Trends funktioniert, werden immer wieder Produktionen übersehen oder sogar bewusst ignoriert, nur weil sie nicht dem einen oder anderen Kanon entsprechen. So wird es auch immer wieder blinde Flecken auf der Landkarte der Kunst geben, die als nicht interessant wahrgenommen werden. Die gegenseitige Wahrnehmung der drei Nachbarländer Österreich - Tschechien - Slowakei ist ein pars pro toto Beispiel dafür, wie eine solche Dynamik im kulturellen Austausch auf der Basis einer geopolitischen Trennung gestaltet werden kann. Drei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und nach immer neuen Forschungs- und Institutionsprojekten, um die zentraleuropäische Kunstregion zu erforschen und zu kontextualisieren, bleibt das gegenseitige Bewusstsein über die jeweilige Positionierung der Kunst im Verlauf des 20. Jahrhunderts sehr begrenzt.
Das Verlassen der eigenen Komfortzone und das Betreten unbekannten Terrains ist daher nach wie vor wichtig, denn nur so wird ein viel breiteres Bild von Parallelentwicklungen, globalen Phänomenen, aber auch Differenzen, ästhetischen Besonderheiten und anderen künstlerischen Phänomenen in der Kultur der bewegten Nachkriegszeit in Mitteleuropa sichtbar.
Terra Incognita - Kunstexpedition in ein unbekanntes Nachbarland
Tschechoslowakische Kunst zwischen 1948 und 1989 im Dialog mit der Sammlung Liaunig
Kurator: Miroslav Haľák
27. April bis 31. Oktober 2025