Die Neutralität als Teil der Schweizer Kultur

Die aktuellen Kriege innerhalb und ausserhalb Europas haben die Diskussion um das Neutralitätsprinzip neu entfacht. Das Aargauer Kunsthaus lässt 14 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen. Ihre Kunst richtet den Fokus auf die Schweiz als Standort internationaler Organisationen und multinationaler Konzerne, aber auch auf ihren Ruf als Insel des Friedens und idealisiertes Paradies. Untersucht wird auch, wie neutral Kunstinstitutionen, Sprache oder künstliche Intelligenzen sein können.

Mit dieser Ausstellung widmet sich das Aargauer Kunsthaus einmal mehr einer aktuellen Frage unserer Zeit und wirft gleichzeitig einen Blick auf ein spezifisch schweizerisches Thema, das eng mit der Konstruktion eines nationalen Selbstverständnisses verbunden ist. Die völkerrechtliche Neutralität im Herzen Europas machte die Schweiz zur unparteiischen Ansprechpartnerin in Krisenfällen und zum Standort internationaler Organisationen und sensibler Transaktionen. Die historisch und politisch stark auf Konsens ausgerichtete Schweiz sieht sich jedoch in einer zunehmend destabilisierten und konfliktreichen Welt immer mehr gezwungen, Stellung zu beziehen. Entsprechend intensiv wird das Modell der Neutralität derzeit aus völkerrechtlicher, historischer, politischer und auch ethischer Sicht diskutiert.

Kunstschaffende sind mit Unsicherheiten vertraut. Ihnen gelingt es, neue Perspektiven zu eröffnen, indem sie alte Gewissheiten in Frage stellen. So schaffen sie Werke, die sich direkt oder indirekt mit dem Thema Neutralität auseinandersetzen und damit einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte leisten. Das Aargauer Kunsthaus bietet 14 von ihnen eine Plattform und öffnet sich für die Auseinandersetzung mit der Neutralität abseits der staatspolitischen Verhandlungen.

Museen wie das Aargauer Kunsthaus waren nie neutrale Orte - ebenso wenig wie Bibliotheken, Bildungs- und Erinnerungsinstitutionen. Angesichts des wachsenden Bewusstseins für die Diversität unserer Gesellschaft stellen sich für das Aargauer Kunsthaus vermehrt Fragen der Sammlungspolitik und der damit verbundenen (Kunst-)Geschichtsschreibung. Über den Kunstkontext hinaus ist auch die Sprache ein Ort, an dem Neutralität verhandelt wird. Dominante Lesarten sind zwar demokratisch mehrheitsfähig, nähren aber in ihrer vermeintlichen Eindeutigkeit die Vorstellung, es gäbe nur eine Art, die Welt zu erklären. Diesem Trugschluss setzt gerade die Kunst seit dem 20. Jahrhundert ihr Spiel mit neuen Zeichensystemen und Vermittlungsmedien entgegen.

Die unterschiedlichen Blickwinkel dieser Ausstellung können sowohl beim Publikum als auch innerhalb des Museumsbetriebs dazu anregen, Neutralität nicht nur als ein Produkt der Geschichte wahrzunehmen, sondern auch als eigenes Handlungsfeld zu entdecken. Im besten Fall fördern die ausgestellten Kunstwerke das Verständnis dafür, dass sich die Neutralität als Teil der Schweizer Kultur ständig verändert - so wie sich auch unsere Gesellschaft ständig verändert. Die Ausstellung lädt dazu ein, über die eigene Positionierung und das Miteinander nachzudenken.

Modell Neutralität
 1. Februar bis 11. Mai 2025