Die Nacht im Zwielicht

Die Nacht leitet nicht nur den Lebensrhythmus aller Lebewesen und umgibt ihren Schlaf, sie ist auch seit jeher geheimnisvoller Nährboden für die Fantasie und die Kreativität des Menschen. Ob als dämonisches Schattenreich, als Geborgenheit bietender Rückzugsort oder hell erleuchteter Abglanz ihrer selbst: Zahlreiche Künstler und Wissenschafter verschiedenster Disziplinen setzen sich seit jeher mit der Nacht auseinander.

Das Belvedere widmet dieser allgegenwärtigen und zugleich scheinbar schwindenden Macht eine Ausstellung, die auch einen ironischen Blick auf die finstere Tageszeit und ihre Bilder erlaubt. Gezeigt werden Malerei, Grafik, Fotografie, Film sowie Skulptur- und Objektkunst u. a. von Caspar David Friedrich, Ferdinand Georg Waldmüller, Hans Makart, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Rene Magritte, Paul Delvaux, Rodney Graham, Germaine Krull und Ansel Adams. Die Arbeiten aus der Sammlung des Belvedere werden durch internationale Positionen und Leihgaben ergänzt.

War die dunkle Hälfte des Tages lange Zeit mit häufig bedrohlichen Metaphern, Symbolismen und Personifikationen behaftet, so erlebte sie insbesondere in den letzten 200 Jahren eine Bedeutungserweiterung und eine Neudefinition in der kulturellen Wahrnehmung. Neue Erkenntnisse wissenschaftlicher Zugänge verschiedener Disziplinen, darunter Astronomie und Psychologie, waren dafür genauso ausschlaggebend wie gesellschaftliche und zivilisatorische Prozesse. In jüngster Zeit entwickelte sich die Nacht sogar hin zu einem "Material", aus dem Künstler schöpfen, zu einem "inneren Zustand", der gesellschaftskritisch beschrieben werden will.

Die Nacht im Zwielicht. Kunst von der Romantik bis heute beleuchtet ab 24. Oktober im Unteren Belvedere und in der Orangerie drei maßgebliche Paradigmenwechsel: Den ersten Schwerpunkt bilden Nachtdarstellungen der Romantik, die individuellen Sehnsuchtswelten, Mystik und Naturgewalten Ausdruck verliehen und sich damit der von der Ratio betonten Aufklärung gegenüberstellten. Den zweiten wichtigen Themenkreis stellen Errungenschaften des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts um 1900, wie etwa die Erfindung der Fotografie basierend auf der Camera obscura, sowie neue Theorien in der Psychologie, dar. Schließlich werden Positionen - nicht selten mit verweigernden und eskapistischen Tendenzen - zu den stets beleuchteten, modernen Großstädten der Jahrtausendwende präsentiert, in denen sich grell-geselliges Nachtleben und ruhelose Insomnie zu einer pulsierenden Geschäftigkeit entwickelten, die bei vielen Menschen ein gesteigertes Bedürfnis nach Ruhe hervorruft.

Die Ausstellung Die Nacht im Zwielicht. Kunst von der Romantik bis heute diskutiert die unterschiedlichsten Zugänge und Deutungen der dunklen Stunden des Tages. Wien, dem oft ein schaurig-schöner, morbider Charakter zugeschrieben wird, bietet hierfür als Ausstellungsort eine spannende kulturelle Vorgeschichte: Sigmund Freud entwickelte in Wien seine bahnbrechenden Thesen zur Traumdeutung, Arnold Schön berg setzte sich hier malerisch und musikalisch intensiv mit der Nacht auseinander und nicht zuletzt wurde in der Donaumetropole Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte uraufgeführt, in der der Komponist seiner Königin der Nacht - analog zur mythologischen Darstellung der Nacht als mächtige Frauenfigur - musikalisch ein Denkmal setzte.

Die Nacht im Zwielicht
Kunst von der Romantik bis heute
24. Oktober 2012 bis 17. Februar 2013