Die Künstlersiedlung Impasse Ronsin
In der Impasse Ronsin, im 15. Pariser Arrondissement gelegen, wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Siedlung von Atelierbauten errichtet, die die bereits vorher existierenden Gebäude erweiterten und bis zu 35 Kunstschaffenden zeitgleich Platz boten.
Ein breites Spektrum künstlerischen Schaffens versammelte sich, vom Bildhauer, der auf repräsentative Denkmäler spezialisiert war, über Hobbymaler bis zu den jungen Avantgardisten und Avantgardistinnen, die sich der Aktionskunst verschrieben hatten.
Mit "Impasse Ronsin. Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris" widmet das Museum Tinguely diesem aussergewöhnlichen, urbanen Soziotop, das immer wieder für Schlagzeilen sorgte, die erste umfassende Übersichtausstellung und präsentiert über 50 Künstler_innen mit über 200 Werken,die alle in der Impasse Ronsin entstanden sind. Dabei war der Ort geprägt von einer Vielfalt an künstlerischen Identitäten, die keinesfalls nur avantgardistisch waren, sondern die ein überausbreites Spektrum auszeichnete mit Künstlern und Künstlerinnen wie Constantin Bräncusi, Max Ernst, Marta Minujin, Eva Aeppli, Niki de Saint Phalle, Larry Rivers bis zu Andr& Almo Del Debbio oder Alfred Laliberte.
Die Impasse Ronsin ist vor allem bekannt als die Künstlersiedlung in Paris, in der Constantin Bräncusi vier Jahrzehnte lang gelebt und gearbeitet hat und dessen Atelier heute beim Centre Pompidou rekonstruiert ist, sowie als Schauplatz der Affaire Steinheil, eines geheimnisumwitterten Verbrechens aus Leidenschaft. Der 1908 begangene Doppelmord im einzigen repräsentativen Gebäude der Sackgasse sowie die damit verknüpfte pikante Geschichte rund um den Tod des französischen Präsidenten Felix Faure fast zehn Jahre zuvor, fördert bis heute die Legendenbildungen rund um die Impasse. Sie bestand als Ateliersiedlung seit etwa 1864 und endete, als der Bildhauer Andre Almo Del Debbio 1971 als Letzter sein Atelier verliess und so endgültig den Weg für die Überbauung des Geländes mit Gebäuden für die Erweiterung des anliegenden Krankenhauses Höpital Necker freimachte.
Der Blick auf die Impasse Ronsin war schon in der Zeit, als sie bestand, oftmals romantisch verklärt, was sich später noch akzentuiert hat. Doch kennzeichnete sich dieser Ort der Boheme durch seine ungewöhnliche Vielschichtigkeit von Künstler_innen und den verflochtenen Geschichten rund um ihr Schaffen und Leben in einem Ort, der als einzigartiges Biotop und Soziotop zu verstehen ist. Das besondere Anliegen der Ausstellung im Museum Tinguely ist es, diese Vielfalt wiederzugeben. Rund zweihundert Werke von über fünfzig Künstlerinnen und Künstlern sind in der Ausstellung zu entdecken, wobei der rege Austausch von Bewohnern und Gästen in der Impasse Ronsin eine wichtige Rolle spielt. So trafen sich Künstler wie Marcel Duchamp, Max Ernst, Marta Minujin, Eva Aeppli, Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri, Larry Rivers und viele mehr an diesem Kunstort, der gerne als schäbig, schmutzig und prekär beschrieben wurde, der jedoch gleichzeitig die Freiheit bot, sich einer bedingungslosen Kunstproduktion zu widmen.
In dieser Oase hatte auch Jean Tinguely ab 1955 sein erstes Atelier und schuf hierin kurzer Zeit, in einem regelrechten Schaffensrausch, die Grundlage für sein gesamtes Œvre: die (teils schon 1954 begonnenen) kinetischen Reliefs, "Méta-Malevich" und "Méta Kandinsky", erste bewegliche, motorisierte, filigrane Drahtskulpturen wie die "Méta Hérbins", erste kinetische Klangskulpturen wie "Mes étoiles", die ersten drei Zeichenmaschinen von 1955, gefolgt von einer ganzen Werkgruppe im Jahr 1959 oder auch die Reihe der Kollaborationen mit Yves Klein. Hier lernte er auch Niki de Saint Phalle kennen, und hier trennten sich die Wege von Tinguely und Eva Aeppli, die 1952 gemeinsam nach Paris gezogen waren.
Es ist unter anderem Christophe-Emmanuel del Debbio, dem Sohn des letzten Künstlers der Impasse, zu verdanken, dass die Kuratoren der Ausstellung, Adrian Dannatt und Andres Pardey, die Geschichte der Impasse Ronsin im Museum Tinguely so umfassend vorstellen können. Christophe-Emmanuel del Debbio beschäftigt sich seit fast zehn Jahren intensiv mit der Geschichte des Ortes, an dem sein Vater Studierende aus aller Welt in der Bildhauerei unterrichtete.
Impasse Ronsin. Mord, Liebe und Kunst im Herzen von Paris
16. Dezember 2020 bis 5. April 2021
- /

