Die Galionsfigur des New Black Cinema: Spike Lee

20. August 2018 Walter Gasperi
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Mit seinem dritten Spielfilm "Do the Right Thing" etablierte sich Spike Lee als zentraler Vertreter des afroamerikanischen Kinos. Immer wieder thematisierte und attackierte er in seinen Filmen Rassismus. Nach schwächeren Werken gelang ihm heuer mit dem satirischen Thriller "BlacKkKlansman" wieder ebenso mitreißendes wie engagiertes Unterhaltungskino.

Feine Zwischentöne sind nicht Spike Lees Sache. Er bezieht in seinen Filmen klar Position, scheut dabei auch nicht vor simplifizierender Schwarzweißmalerei zurück. Seine Leidenschaft und sein Engagement sind in seinen Filmen immer spürbar. Das verleiht ihnen Drive, macht sie aber auch angreifbar.

Wegen dieses hitzigen Temperaments soll dem am 20. März 1957 in Atlanta, Georgia als Sohn des Jazz-Bassissten und-Komponisten Bill Lee und der Lehrerin Jacquelin Shelton geborenen Shelton Jackson Lee seine Mutter auch den Spitznamen Spike (Dorn, Stachel) gegeben haben. Nach einem Studium an der Clark Atlanta University in Mass Communication ging er an die New Yorker Tisch School of the Arts und gewann schon mit dem während dieses Studium um 145.000 Dollar gedrehten "Joe´s Bed-Stuy Barbershop: We Cut Heads“ in Cannes den Prix de la Jeunesse und in Locarno einen Bronzenen Leoparden.

Die Situation der Afroamerikaner, die schon in diesem 60-minütigen Studentenfilm im Mittelpunkt steht, wird zum zentralen Thema seines Werks. In seinem ersten langen Spielfilm "She´s Gotta Have It" (1986), in dem ausschließlich schwarze Darsteller mitwirken, setzt sich Lee aus der Sicht der Afroamerikaner mit schwarzer Identität in der weiß dominierten Gesellschaft auseinander. Nicht trocken wird dies freilich abgehandelt, sondern unterhaltsam soll der Film sein und wie im späteren Werk setzt Lee schon hier dazu auf poppige Machart mit lauter Rapmusik und grellen Farben.

Den großen Durchbruch schafft er drei Jahre später mit "Do the Right Thing" (1989), in dem die Spannungen in einem schwarzen Viertel Brooklyns an einem heißen Tag in einem Mord am weißen Besitzer einer Pizzeria eskalieren. In Dialogen, die teilweise direkt in die Kamera gesprochen werden, thematisiert Lee die Unzufriedenheit und latenten Rassenkonflikte und vermittelt damit ein gänzlich anderes Bild der US-Gesellschaft als Hollywood.

Dieses Bild eines Hexenkessels und einer afroamerikanischen Existenz, für die es in einer von Rassenproblemen, Rauschgift und Verbrechen bedrohten Umwelt keinen Ausweg zu geben scheint, zeichnet er auch in "Jungle Fever" (1991). Anhand der Liebegeschichte zwischen einem verheirateten schwarzen Architekten und einer weißen Sekretärin deckt er darin den alltäglichen Rassismus auf, an dem die Beziehung schließlich zerbricht.

Ein Jahr später realisiert er mit dem dreieinhalbstündigen "Malcolm X" (1992), in dem er das Leben des Black-Muslim-Führers nachzeichnet, sein größtes Projekt, kann damit aber nicht überzeugen. Unter anderem "Langatmigkeit und fehlende politische Schärfe" (Filmdienst) werden diesem Biopic vorgeworfen.

Auch mit seinen folgenden Filmen kann Lee die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, erst mit "Summer of Sam" (1999) gelingt ihm wieder ein großer Wurf. Erstmals verlässt er hier das afroamerikanische Milieu und zeichnet vor dem Hintergrund einer Mordserie ein ebenso mitreissendes wie schillerndes Kaleidoskop des New York von 1977 und des Lebens in einem italo-amerikanischen Viertels.

Alle filmischen Mittel von schnellem Schnitt über Handkamera bis zur Einblendung von TV-Nachrichten setzt Lee dabei ein, um die fiebrige Intensität und die Nervosität zu vermitteln, nicht zu übersehen ist aber auch, dass diesem filmischen Kraftakt ein echtes Zentrum fehlt.

Nachdem er im wenig erfolgreichen "Bamboozled – It´s Showtime" (2000) mit dem Rassismus in der amerikanischen Film- und Fernsehindustrie abrechnete, gelingt ihm mit "25th Hour" (2002) wieder ein großer Film. Nicht kämpferisch und wütend präsentiert sich Lee hier, sondern erzählt melancholisch von den letzten 24 Stunden, die ein irischstämmiger New Yorker Drogendealer vor Antritt einer siebenjährigen Haftstrafe in Freiheit verbringt.

Unter der Oberfläche brodelt es freilich und in einer furiosen Hasstirade, die durch eine große Montagesequenz visualisiert wird, entlädt sich Montys Zorn gegen alle Ethnien der Stadt, mündet am Ende mit "Fuck you, Monty Brogan" aber doch in Selbsthass und Wut über ein Leben, das ihm nun keine Möglichkeiten mehr bietet.

Gleichzeitig zeichnet Lee aber auch ein großartiges Bild der Stimmung des Big Apple nach 9/11 und beschwört im Finale mitreißend die Stärke der New Yorker und verbreitet einen unerschütterlichen Glauben an die Überwindung der Lähmung, die der verheerende Terroranschlag auslöste.

Vier Jahre später legt dieser sehr produktive Filmemacher mit "Inside Man" (2006) erstmals einen Genrefilm vor. Unglaublich cool und wendungsreich erzählt er darin von einem Quartett, das mitten in New York eine Bank überfällt und Geiseln nimmt.

Gesellschaftliche Seitenhiebe kommen aber auch hier nicht zu kurz.
Einerseits werden nämlich beiläufig, aber prägnant die Post-9/11-Stimmung mit ihrer Fremdenangst und der latente oder offene alltägliche Rassismus eingefangen, andererseits gibt’s scharfe Spitzen gegen die gesellschaftliche und politische Oberschicht, die sich mit Beziehungen und Geld alles richtet und auch bei größten Verbrechen ungeschoren davonzukommen scheint.

Danach schien Lee endgültig den Zenit seiner Karriere überschritten zu haben. Kaum Beachtung findet "Buffalo Soldiers "44 - Das Wunder von St. Anna" (2008), in dem er an die Verdienste afroamerikanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg erinnert, und das Remake von Park Chan-woks Thriller "Old Boy" (2013) enttäuscht. Von der Kritik sehr kontrovers aufgenommen wird schließlich das grelle Musical "Chi-raq" (2015), in dem Lee die Gewalt in Chicago mit der im Irak vergleicht und verpackt in eine "Lysistrate"-Geschichte anprangert. – Jetzt aber zeigt sich dieser Wegbereiter und immer noch wichtigste Vertreter des New Black Cinema mit dem satirischen Thriller "BlacKkKlansman" wieder auf der Höhe seiner Kunst, erzählt mitreißend und liefert gleichzeitig eine Lektion über die Geschichte des amerikanischen Rassismus, bei der er den Bogen souverän vom Historischen zur Gegenwart spannt.

Edward Nortons Monolog in "25th Hour"