Die Damen - Ein perfekt gestyltes Quartett

Das Künstlerinnenkollektiv "Die Damen" wurde 1987 von Ona B. (1957 Wien), Evelyne Egerer (1955 Wien), Birgit Jürgenssen (1949–2003, Wien) und Ingeborg Strobl (*1949 Schladming – † 2017 Wien) gegründet. Parallel zu ihren individuellen künstlerischen Œuvres traten die vier Mitglieder in loser Folge vor allem vom Ende der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre gemeinsam – stets perfekt gestylt als Quartett – mit Aktionen in Erscheinung, die zwischen Ernsthaftigkeit und Satire balancierten. 1993 wurde Lawrence Weiner (1942 – 2021 New York, US) anstelle von Ingeborg Strobl zum vierten Mitglied der Gruppe.

Einladungen, Postkarten, Briefmarken, Drucksachen und Editionen aller Art – für die künstlerische Praxis der "Damen" waren sie sowohl zentraler Bestandteil von Aktionen als auch deren Ausgangspunkt. Von der ersten Postkarte 1988, mit der sich "Die Damen" als "Die vier neuen Mitglieder des Ersten Wiener Männergesangvereins" präsentierten, bis hin zu Bierdeckel – der bislang letzten Zusammenarbeit 2013 – waren es alltagserprobte Formen der Kommunikation, die in einer Verbindung aus selbstinszenatorischer Performance und Fotografie sowie mit viel Witz und Ironie die Mechanismen des Kunstbetriebs persiflierten und als kritisch-feministischer Kommentar zu Kunst, Politik und Gesellschaft gelesen werden konnten.

Die Ausstellung im Generali Foundation Studienzentrum am Museum der Moderne Salzburg beleuchtet dieses Ineinandergreifen von Performance, inszenierter Fotografie und Drucksorte und macht die künstlerische Strategie von "Die Damen" an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst, Mode, Kommunikationsdesign und Werbung sichtbar. Grundlage der Schau bildet ein von der Sammlung Generali Foundation erworbenes Konvolut an Ephemera und Multiples, komplettiert durch Werke aus der Fotosammlung des Bundes und der Sammlung des Museum der Moderne Salzburg.

Das erste Projekt: Aus gegebenem Anlaß, 8. Jänner 1988

Bereits bei ihrer ersten Zusammenarbeit nutzt das Quartett das Medium der Postkarte. Damals noch nicht unter dem Gruppennamen "Die Damen" auftretend, bitten die vier Künstlerinnen "aus gegebenem Anlaß" auf einer schlichten Einladungskarte ins Bahnhofsrestaurant am Wiener Westbahnhof. Dort trifft das Publikum wiederum auf Stapel von Postkarten, die zusammen mit gerahmten Varianten des Postkartensujets auf den Tischen aufliegen und zum Verkauf angeboten werden. Die Karte zeigt die vier Künstlerinnen, die auf der Rückseite als "Die vier neuen Mitglieder des Ersten Wiener Männergesangvereins" vorgestellt werden. Zitiert wird damit eine Aufnahme von Christian Skrein, der 1968 Protagonist_innen der Wiener Kunstszene (u. a. Christian Ludwig Attersee, Walter Pichler, Oswald Wiener) auf Regiestühlen inszenierte und über ihre Köpfe ihre Nachnamen wie Markennamen setzte. Die einzige Künstlerin auf dem Bild – Ingrid Wiener – wurde an den rechten Rand gerückt, über ihr prangt lediglich ihr Vorname.

20 Jahre später präsentieren sich "Die Damen", selbstbewusst in die Kamera blickend und jede in einem anderen modischen Stil gekleidet, unter ihren (Künstlerinnen-) Namen und schaffen über diese re-inszenierende Persiflage Aufmerksamkeit für sexistische Geschlechterstereotype und Rollenklischees, die den (österreichischen) Kunstbetrieb in den 1980erJahren prägten und bis heute immer noch nachwirken.

"Die Damen" auf der Biennale von Ankara, 1990

1990 nehmen "Die Damen" als Vertreterinnen Österreichs an der Dritten Internationalen Asiatisch-Europäischen Kunstbiennale in Ankara teil. Dafür reisen sie zusammen mit dem Fotografen Wolfgang Woessner in die Türkei und machen die dabei entstehenden Aufnahmen zu ihrem Biennale-Beitrag. "Die Damen" präsentieren sich in unterschiedlichen Settings – etwa bei ihrer Ankunft am Flughafen von Ankara, bei Besuchen der Altstadt und des Basars, bei einem Abstecher zum Atatürk-Mausoleum, in Dönerbuden und Teehäusern, in der Hotelbar und in der Badewanne des Hotelzimmers als dynamisch-erfolgreiche Truppe in grauen Businesskostümen oder bunten Regenmänteln – und eignen sich die türkische Hauptstadt an. Zur Fotoserie entsteht zudem ein Magazin mit dem Titel Paul Ankara meets "Die Damen", das die entstandenen Fotostrecken in Szene setzt – einerseits wie einen entlang von literarischen Textzitaten aufgebauten Fotoroman, andererseits in Form von Werbung für Fluglinien, Kreditkarten, Mode, Kosmetik etc. Dabei wird die Ästhetik von Mode- und Lifestylemagazinen ebenso persifliert wie jene von Kunstzeitschriften. Aus dem Schriftzug des amerikanischen Magazins Artforum wird am Backcover das Wort "Smartforum".

Böse ist besser: 45. Biennale von Venedig, 1993

1992 kommt es zu einem Wechsel in der Künstlerinnengruppe: Ingeborg Strobl verlässt das Quartett, an ihrer Stelle wird der US-amerikanische Konzeptkünstler Lawrence Weiner zur "Dame". Weiner gliedert sich fast nahtlos in das Spiel mit Mode, Inszenierung und Geschlechterrollen ein; mit seiner daraus folgenden Praxis des Crossdressing erhält das kritische Hinterfragen der Vorstellungen, was eine "Dame" ausmache, jedoch eine neue Ebene. Weiner formuliert für die Gruppe eine eigene Declaration of Intent: "To Bitch Is To Be", im Deutschen: "Böse ist besser". Die Devise "Böse ist besser" unterläuft die Vorstellung von einer zurückhaltenden, sittsamen und manierlichen Damenhaftigkeit zugunsten einer selbstbewussten Überschreitung gesellschaftlicher Normen.

Folgerichtig steht das erste Projekt der "Damen" mit Lawrence Weiner unter dem Motto Böse ist besser / To Bitch Is To Be / Cattivo è meglio. Entwickelt wird es anlässlich der 45. Biennale von Venedig im Jahr 1993, wo sich "Die Damen" an der Ausstellung "La coesistenza dell’arte" beteiligen. Ihr Beitrag umfasst eine Postkarte, ein Plakat und eine Aktion auf dem Markusplatz. Die Postkarte und das Plakat zeigen die in brave Matrosenanzüge gekleideten "Damen". Drei von ihnen verweisen mit ihren Gesten auf das aus Japan stammende Erziehungsgebot "Sieh nichts Böses, hör nichts Böses, sprich nichts Böses". Die vierte "Dame" kontert mit dem ausgestreckten Mittelfinger. "Die Damen" sprechen die Betrachter_innen mit ihren Blicken direkt an, machen sie zu Komplizinnen und Komplizen in ihrem Spiel der Überschreitung. Die Botschaft wird überall in der Stadt verteilt und plakatiert. Darüber hinaus spaziert die Gruppe in Hosenanzügen aus kariertem, mit Rosen besticktem Stoff durch die Giardini von Venedig. Am Markusplatz zeichnet Weiner den Schriftzug "Die Damen" mit Kreide auf den Boden. Darüber wird Vogelfutter gestreut, auf das sich die Tauben stürzen. Nebenbei werden Futtersäckchen mit der Aufschrift "Die Damen", einem Totenkopf auf der einen Seite und einer Friedenstaube auf der anderen verteilt – eine Botschaft zwischen Gut und Böse.

Gulasch für die "Damen", Nachschlag in St. Pölten, 2013

"Die Damen" sind wieder da! Zumindest temporär. Im Rahmen einer umfangreichen Ausstellung in der Landesgalerie für zeitgenössische Kunst St. Pölten laden "Die Damen" im Jahr 2013 anstelle einer Pressekonferenz zu einem Treffen in ihr "Wohnzimmer" und "Büro", das Kaffee Alt Wien, ein. Zu diesem Anlass präsentieren sie neue Editionen: das "Damen" Bier extra stark, produziert von der Brauerei Schremser, und einen dazu passenden Bierdeckel. Die Preziose Bierdeckel zeigt auf der Vorderseite ein Gruppenbild aus der zweiten Phase der "Damen", auf der Rückseite befindet sich ein Text-Bild-Entwurf nach einer Skizze von Lawrence Weiner aus dem Jahr 2003. Im Zentrum der Einladungskarte zum Treffen steht ein Gruppenbild aus der ersten Phase der "Damen". Für Kenner_innen ist ersichtlich, dass die Namen den Personen falsch zugeordnet sind – womit die für den Kunstbetrieb typische Individualisierung zugunsten eines Gruppenbewusstseins subtil durcheinandergebracht wird.

Die Damen
Verlängert bis 11. September 2022
Kurator_innen: Stefanie Grünangerl, Jürgen Tabor