Die Ausstellung als Wahrnehmungsapparat

Der austro-amerikanische Architekt, Bühnenbildner, Künstler und Theoretiker Friedrich Kiesler (1890-1965) prägt bis heute maßgeblich die Entwicklung der Architektur. Seine Ausstellungsgestaltungen wie z. B. Peggy Guggenheims Galerie "Art of This Century" gehen vollkommen neue Wege und erschließen durch variantenreiche Präsentationssysteme und raffinierte Betrachtungsapparate neuartige Sichtweisen auf die Künste.

Eine Ausstellung im Aut. Architektur und Tirol dokumentiert nun mit Originalarbeiten aus den Beständen der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung (Wien) Kieslers Verständnis von einer Ausstellung als "Wahrnehmungsapparat". Abgestimmt auf Bedeutung und Intention des ausgestellten Objekts, versteht es Friedrich Kiesler, das Medium der Kunstpräsentation für seine wahrnehmungstheoretischen Experimente zu nutzen. Ausgangspunkt seines künstlerischen Handelns stellt die Theorie des "Correalismus" dar, die das flexible Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit untersucht.

Kieslers Ausstellungs- bzw. Kunsträume sind modellhafte Entsprechungen universaler Vorstellungswelten. Diese "Idee von Raum" überträgt er in seinen späten Arbeiten sowohl ins Plastische wie auch ins Architektonische. So vermitteln uns seine "Shell Sculptures", "Bucephalus" und die architektonischen Entwürfe zu einem "Endless House" eindrucksvoll die Forderung nach einer Grenzüberschreitung der Disziplinen: Malerei, Skulptur und Architektur.

An der Skulptur Bucephalus, benannt nach dem Pferd Alexander des Großen, beginnt Friedrich Kiesler 1965 zu arbeiten. Bereits mit dem Environment Us-You-Me, das 1964/65 entsteht, setzt er sich mit der Beziehung von künstlerischer Tätigkeit und ihren äußeren Bedingungen auseinander. Das Kunstwerk kann nicht länger unabhängig von seinem Umraum gesehen werden, die Skulptur geht in ihre Umgebung über und vice versa, was dazu führt, dass die Umgebung eine nicht weniger wichtige Rolle als das Objekt selbst spielt.

Im März 1947 entwickelt Friedrich Kiesler das Ausstellungsdesign für die surrealistische Ausstellung Blood Flames 1947 in der Hugo Gallery in New York. Künstler wie Arshile Gorky, David Hare, Gerome Kamrowski, Wilfredo Lam, Roberto Matta, Isamu Noguchi, Helen Philips und Jeanne Reynal nehmen daran teil. Farbe und Licht spielen in der Vorbereitung für das architektonische Konzept eine übergeordnete Rolle; sie dienen als maßgeblich Raum gestaltendes Element. Mit der farbigen Wandgestaltung und der Positionierung der Bilder in völlig neuer Weise löst Kiesler die vorgegebene Raumstruktur auf.

Zeichnungen, die den Menschen in direktem Kontakt mit einem Gegenstand, zum Beispiel einem Möbel zeigen, verweisen auf die Nähe der künstlerischen Werkidee mit unseren alltäglichen Erfahrungsbereichen. In diesen Arbeiten versucht Kiesler die Grenzen unserer Wahrnehmungsfähigkeit auszuloten.

Kieslers Betrachtungsapparate lenken den Blick auf ausgewählte Werke, um ihre Wahrnehmung und die Vermittlung ihrer Inhalte zu intensivieren. Der Abstand zwischen Objekt und Betrachter wird nicht nur durch die Fokussierung auf ein einzelnes Werk oder einen Werkausschnitt verringert. Die Annäherung von Objekt und Subjekt findet auch im Hantieren der Apparatur selbst statt. Als Akteur wird der Benutzer zum Mitgestalter des Wahrnehmungsprozesses.

1958 erhält Friedrich Kiesler den Auftrag, für den Skulpturenhof des Museum of Modern Art in New York einen Architekturprototyp des Endless House zu entwerfen. Kieslers Idee gründet auf der jahrelangen Beschäftigung mit Theaterarchitektur, Bühnentechnik, Ausstellungsgestaltung, bildender Kunst und Design. Daraus entwickelt er das Konzept einer auf die Bedürfnisse und das Umfeld der Bewohner reagierenden Architektur.


Friedrich Kiesler - Ausstellung als Wahrnehmungsapparat
21. September bis 10. November 2007