Dialoge zwischen Architektur und Fotografie

Architektur in einer Ausstellung zu präsentieren, ist prinzipiell ein paradoxes Unterfangen, denn das eigentliche Objekt der Ausstellung ist abwesend. Der gebaute und umbaute Raum kann nur "vermittelt" über Fotos, Pläne, Modelle oder Filme umschrieben bzw. das dahinter liegende Denk- oder Sprachsystem aufgezeigt werden.

Die Ausstellung "Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa (SANAA) und Walter Niedermayr" im Aut. Architektur und Tirol zeigt weder Skizzen, Pläne oder Modelle, noch werden die Bauwerke mittels "klassischer" Architekturfotografien präsentiert. Trotzdem oder gerade deshalb erschließt sich dem Besucher auf sensible Art und Weise das Besondere der Architektur der beiden japanischen Architekten. In großformatigen, die gewohnte Bildsprache der Architekturfotografie unterlaufenden Diptychen nähert sich der italienische Künstler Walter Niedermayr dem Wesen der Bauwerke von SANAA, deren Handschrift ausschließlich über subtile räumliche Interventionen in jedem der fünf Ausstellungsräume spürbar wird.

Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa haben in den vergangenen zehn Jahren mit ihren fast immateriell wirkenden Räumen international auf sich aufmerksam gemacht. In den 1990er Jahren noch als Geheimtipp gehandelt, zählen sie und ihr in Tokio ansässiges Büro SANAA inzwischen weltweit zu einem der anerkanntesten Architekturbüros des 21. Jahrhunderts. Neben zahlreichen Bauwerken in Japan wie dem Dior-Gebäude in Tokio (2003), dem "21st Century Museum of Contemporary Art" in Kanazawa (2004) oder dem Naoshima Ferry Terminal (2006) entstanden in jüngster Zeit mit dem Glaspavillon des Toledo Museum of Art in Ohio (2006) und dem "Museum of Contemporary Art" in New York (2007) bzw. der "Zollverein School of Management and Design" in Essen (2006) und einem Bürogebäude am Novartis-Campus in Basel (2006) auch Bauwerke in Amerika und Europa.

Der in Bozen lebende Fotograf Walter Niedermayr wurde vor allem durch seine Sequenzen alpiner Landschaften international bekannt, etwa mit der Serie "Die bleichen Berge". Aus eigenen künstlerischen Beweggründen heraus verfolgt Niedermayr seit 10 Jahren die Arbeit von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa. Seine Aufnahmen - überwiegend großformatige Diptychen - sind keine Dokumentationen im herkömmlichen Sinn, sondern sehr persönliche Interpretationen, die aus einer materiellen Realität eine transzendente und sensorische entstehen lassen. Als Fotograf
wählt er eine abstrakte Vorgehensweise, die die Architektur nicht abbildet, sondern verinnerlicht. Mit eindrucksvollen Ergebnissen gelingt es ihm dabei, das Licht und den nahezu ephemeren Charakter der Projekte von SANAA einzufangen.

Die Ausstellung, die nach Antwerpen und Bordeaux von März bis Juni im Innsbrucker Aut. Architektur und Tirol in einer wiederum auf den speziellen Ausstellungsort abgestimmten Transformation gezeigt wird und die im Hatje Cantz Verlag erschienene Publikation machen erstmals diesen besonderen Dialog zwischen Architekten und Fotograf sichtbar. Eine spezifische gegenseitige Annäherung, die auf keiner formellen Auftragssituation beruht, sondern in einer gegenseitigen Wertschätzung, in einem großen Interesse für das Metier des jeweils anderen und in einer Art Geistesverwandtschaft begründet ist.


Publikation: Walter Niedermayr/Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa (SANAA) herausgegeben von deSingel, international arts campus. Konzeption und Text: Moritz Küng, erschienen 2007 im Hatje Cantz Verlag, 128 Seiten, englisch/deutsch, zahlreiche Farbabbildungen, Euro 39,80, ISBN 987-3-7757-1890-5

Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa (SANAA) und Walter Niedermayr
1. März bis 14. Juni 2008