Dexter Sinister. At 1.1 Scale

"At 1:1 Scale.", der Titel der Ausstellung von Dexter Sinister, ist dem zweiten Band des Romans "Sylvie and Bruno Concluded" (1893; dt. Sylvie und Bruno, übers. von Dieter H. Stündel, 1986) von Lewis Carroll entlehnt. In dem Roman wird die wunderliche Geschichte der Entstehung einer Landkarte erwähnt, die im Maßstab von einer Landmeile zu einer Landmeile gezeichnet ist:

"We very soon got to six yards to the mile. Then we tried a hundred yards to the mile. And then came the grandest idea of all! We actually made a map of the country, on the scale of a mile to the mile! (...) It has never been spread out, yet (...) the farmers objected: they said it would cover the whole country, and shut out the sunlight! So now we use the country itself, as its own map, and I assure you it does nearly as well." (Lewis Carroll, Sylvie and Bruno Concluded, 1893)

Der kanadische Autor und Kunsttheoretiker Stephen Wright hat jüngst über eine Kunst geschrieben, die in ähnlicher Weise im Maßstab 1:1 operiert. Das heißt eine Kunst, die die Unterscheidung zwischen Repräsentation und Repräsentiertem auflöst. Sein Anliegen ist eine Kunst, bei der passive Betrachter zu aktiven "Benutzern" werden, die nicht nur betrachten, sondern gleichsam gestalten. Eine Kunst also, bei der die Grenze zwischen Produktion und Konsumption aufgelöst wird, ähnlich wie bei zeitgenössischen Onlineplattformen.

Wie Carroll stellt Wright damit grundlegende Annahmen über die Rolle der maßstabsgetreu verkleinernden Wiedergabe als repräsentativem, der Wirklichkeit untergeordnetem Ersatz in Frage. Was geschieht mit der Repräsentation, wenn sie dem von ihr repräsentierten Gegenstand derart ähnlich wird, dass es unmöglich (bzw. sinnlos) wird, unterscheiden zu wollen, was real ist und was nicht?

Die Ausstellung von Dexter Sinister besteht aus einer einzigen Animation, die den Titel "an erA" trägt und speziell für die Arena konzipiert wurde. Als eine Art Gedächtnis-Landkarte des Ausstellungsraums, angelegt im Maßstab 1:1, archiviert die Arbeit hier gezeigte abgeschlossene wie aktuelle Projekte. Der sprechende Asterisk stammt aus einer gestaltwandlerischen Schriftart mit dem Namen "Meta-The-Difference-Between-The-2-Font-4-D", die ebenfalls von Dexter Sinister entworfen und programmiert wurde. Er spricht mit einer Stimme, die aus Fetzen einer Rede der Kuratorin Isla Leaver-Yap gesampelt und anschließend von der Firma Cereproc Ltd. in Edinburgh digitalisiert wurde.

Bei Dexter Sinister handelt es sich um ein kollaboratives Projekt aus New York, das 2006 von Stuart Bailey (UK) und David Reinfurt (USA) gegründet wurde, um der Fließbandproduktion, wie sie von großen Verlagen betrieben wird, ein wirtschaftliches Modell des bedarfsorientierten Druckens entgegenzusetzen. Seither steht der Name verschiedentlich für einen Verlag, einen Workshop / Buchladen in der New Yorker Lower East Side sowie für Projekte und Arbeiten, die für und häufig auch in Kunstinstitutionen produziert werden.

Als Nachfolger von "Dot Dot Dot", einem ursprünglich von Stuart Bailey mitbegründeten Magazin, rief das Duo 2010 gemeinsam mit der Autorin und Künstlerin Angie Keefer die "Bulletins of The Serving Library" ins Leben. Die einzelnen Bulletins werden online als PDFs zum kostenfreien Download zur Verfügung gestellt, bevor sie gesammelt und analog jeweils im Juni und Dezember als Hardcopy erscheinen. Die Ausgaben sind häufig das Ergebnis von spezifischen Veranstaltungen oder Ausstellungskontexten. Alle bis heute erschienenen "Bulletins of The Serving Library" sind vor Ort erhältlich, zudem wird die Ausstellung von einem Veranstaltungstag anlässlich des Erscheinens der kommenden Ausgabe begleitet.


KUB Arena
Dexter Sinister. At 1.1 Scale
18. April bis 5. Juli 2015