Desire in Representation

Vom 12. September 09 bis 3. Januar 10 zeigt der Württembergische Kunstverein die erste umfangreiche Einzelausstellung von Peggy Buth, die als eine eigens für die Räume des Kunstvereins entwickelte Gesamtinstallation konzipiert ist. Im Zentrum stehen dabei eine Reihe neuer Werke, die an vorangegangene Arbeiten der Künstlerin anknüpfen, und die vom Kunstverein koproduziert werden.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist das zwei Bände umfassende Künstlerbuch "Desire in Representation" (2008), das auf einer weitreichenden Recherche der Künstlerin über das Königliche Museum für Zentralafrika in Tervuren (bei Brüssel) basiert. Das 1910 eröffnete Museum steht exemplarisch für die belgische Kolonialgeschichte, die offiziell mit der Berliner Afrikakonferenz von 1884/1885 begann, auf der der Kongo zum Privateigentum König Leopolds II. erklärt wurde. Mit dem Wandel der Besitzverhältnisse im Kongo bis zu dessen Unabhängigkeit veränderten sich auch die Repräsentationsweisen des Tervurener Museums. Seit 2004 befindet es sich im Prozess einer räumlichen und konzeptionellen Umstrukturierung, die bis heute nicht abgeschlossen ist.

Im ersten Band des Buchprojektes (Travelling through the Musée Royale) zeigt Buth Fotografien von verschiedenen Räumen und Displays des Museums und lenkt den Blick auf die Art und Weise, wie darin Bedeutung und Geschichtlichkeit hergestellt werden. Im zweiten Band (O, my Kalulu!) greift sie Henry Morton Stanleys Novelle My Kalulu, Prince, King, and Slave (1874) sowie verschiedene Reiseberichte desselben auf und verknüpft sie mit Buchillustrationen, historischen Porträtfotografien, weiteren schriftlichen Quellen und Archivmaterial. Der britisch-amerikanische Journalist und Afrikareisende Stanley, dessen persönlicher Nachlass im Museum archiviert wird, arbeitete im Auftrag Leopold II. an der kartografischen wie infrastrukturellen Erschließung des Kongos und ebnete so den Weg für dessen koloniale Ausbeutung.

Buth untersucht in Desire in Representation die Erzähltechniken des Museums und der Literatur im Hinblick auf deren kolonialistischen Prägungen sowie auf deren Konstruktionen von Geschichte, Männlichkeitsmythen und des "Anderen". Die westlichen Projektionen auf das "Andere" spiegeln bekanntlich die eigenen Sehnsüchte und Ängste wider. Dies zeigt Buth insbesondere im Rückgriff auf Stanleys Novelle auf, deren unterschwellige Homoerotik sie herausstellt. Ein umfangreicher Index im ersten Band erweitert die Kontexte beider Bücher.

Auf der Basis ihres Buchprojektes entwickelt Buth für Stuttgart eigens eine neue, sich über elf Räume erstreckende Erzählung. Diese setzt sich, neben bestehenden Werken, insbesondere aus einer Reihe neuer Arbeiten zusammen: wie etwa die fünfteilige Videoinstallation "O, My Kalulu!", in der die Künstlerin den homoerotischen Subtext von Stanleys Novelle auf filmisch-installativer Ebene bearbeitet.

Jeder Raum, den Buth für Stuttgart konzipiert, ist gleichermaßen autonom wie im Zusammenhang mit den anderen lesbar. Dabei entsteht keine lineare, sondern eine fragmentarische, von Wiederholungen und Verschiebungen durchbrochene Narration, die den Betrachter in unterschiedlichste Szenarien versetzt: in eine "Bibliothek", die über Audioarbeiten, die Buchdeckel historischer Publikationen und weitere Elemente auf die Imaginationen der Reise- und Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts verweist; in einen "Fieberraum" und einen "Studierraum", deren museale Inszenierungen die Übertragungen zwischen Forschung und Mythos ausloten; oder in ein "Labor", das die Displays der experimentellen Wissenschaften zitiert.

Ein "Indexraum", der Buths Fotografien aus dem Tervurener Museum sowie einen großformatigen Index aus Texten und Bildern enthält, rückt die Erzähl- und Distanzierungstechniken des Museums in den Blick und bringt zugleich die vielschichtigen Kontexte des Projektes ins Spiel. Bindeglieder zwischen den verschiedenen Stationen sind zum Beispiel die auf mehrere Räume verteilte Videoarbeit "O, My Kalulu!", eine Soundinstallation, die Teile der Videoarbeit aufgreift, oder Dioramen, deren üblichen historischen und naturkundlichen Szenarien von Buth ironisch gebrochen werden.

Buth entwirft für Stuttgart eine Abfolge gleichermaßen archivarischer wie theatraler Settings, die die Unterscheidung zwischen Kunstwerk und historischem Dokument, Exponat und Display, Bühne und Ausstellungsraum sowie Erzählung und Metaerzählung permanent verschieben. Dabei entsteht eine Erzählung, die sich erst im Durchqueren der unterschiedlichen Szenarien auf immer andere Weise ereignet, und somit eine Vielzahl möglicher Lesweisen bietet.


Peggy Buth. Desire in Representation
12. September bis 3. Januar 2010