Der Wirklichkeitsgehalt der Fotografie

Das Künstlerpaar Anna und Bernhard Blume (beide Jahrgang 1937) zählt zu den Pionieren und anerkanntesten Vertretern der inszenierten Fotografie. Ihre Werke wurden bereits weltweit an renommierten Ausstellungsorten gezeigt. Nachdem sie in der Schweiz das letzte Mal vor rund zwanzig Jahren in der Kunsthalle Basel präsentiert wurden, widmet ihnen das Haus Konstruktiv nun eine umfangreiche Einzelausstellung. Die Ausstellung und der begleitende Katalog entstanden in Kooperation mit dem Museum am Ostwall, Dortmund.

Eigens für das Haus Konstruktiv entwickeln Anna und Bernhard Blume unter dem Titel "Abstrakte Kunst" eine neue Serie grossformatiger Fotografien. Diese Serie schliesst inhaltlich an die 1992/94 entstandene Bildfolge "Transzendentaler Konstruktivismus" an, die wir ebenfalls im Haus Konstruktiv präsentieren werden. Beide Serien setzen sich mit den formalen Mitteln und den spirituellen Aufladungen der konkreten, konstruktiven Kunst auseinander.

Im Zentrum der Fotoarbeiten von Anna und Bernhard Blume stehen immer die beiden Künstler selbst, die sich als Protagonisten einer zunächst alltäglich erscheinenden Dingwelt in höchst absurden Situationen inszenieren. Dabei wirken ihre Fotoserien ebenso zeitlos wie aktuell: Im Hinblick auf die kritisch-humorvolle Dekonstruktion bürgerlicher oder künstlerischer Ideale stehen sie den Impulsen des Dadaismus nahe und besitzen vollumfänglich dessen Subversivität. Gleichzeitig erweisen sich die Serien als feinsinnige Reflexionen auf zentrale künstlerische Fragestellungen unserer Zeit wie z.B. das Ringen um eine authentische Bildsprache oder eine innovative Thematik.

Anna und Bernhard Blume reflektieren zudem das Medium Fotografie, indem sie die Grenzen zur Malerei verwischen und den Wirklichkeitsgehalt der Fotografie mit den Mitteln der Fotografie selbst infrage stellen. Mit der Deformation oder Übertreibung der Wirklichkeit gelingt den beiden Künstlern eine Steigerung und Erweiterung der Realität ins Imaginäre. Beide Qualitäten, die der Subversion und Reflexion, bilden die Koordinaten für das grosse Interesse auch vieler junger Künstlerinnen und Künstler an den Bilderserien der Blumes.

Wassily Kandinsky, der als einer der ersten konkret-konstruktiven Künstler des 20. Jahrhunderts gilt, verfasste 1911 ein Buch mit dem programmatischen Titel "Über das Geistige in der Kunst". Er legte damit einen Grundstein für die Idee, dass sich in der abstrakten, autonomen Form und in den vom Künstler entwickelten, abstrakten Kompositionen, ein hinter den Dingen liegender Sinn veranschaulichen liesse. Die Sichtbarmachung des Unsichtbaren bildet seither ein zentrales Thema der konkreten Kunst.

In den Fotoserien von Anna und Bernhard Blume wird diese Frage nach den religiösen Funktionen von Kunst, nach der spirituellen Aufladung der elementaren geometrischen Form und nach der Metaphysik des Ornaments mit seziererischer Genauigkeit untersucht. Humor und die Absurdität der Darstellungen, in denen das Künstlerpaar den Konstruktivismus gewissermassen am eigenen Leib exerziert, erweisen sich in diesen Serien als Austragungsort für den Ringkampf zwischen der künstlerischen Suche nach universellen Wahrheiten einerseits und dem tiefen Zweifel an der Existenz solcher Wahrheiten andererseits. Parallel zu den Fotos werden Anna und Bernhard Blume ältere Fotoserien zeigen und zudem eine Reihe von Zeichnungen präsentieren.

Mit der Ausstellung von Anna und Bernhard Blume präsentiert das Haus Konstruktiv zwei der wichtigsten Pioniere inszenierter Fotografie, in deren Zentrum immer wieder die Suche nach dem Subjekt steht. Blumes werfen einen kritischen Blick auf die Inhalte konkreter, konstruktiver Kunst und eröffnen so eine Plattform für eine lebendige Auseinandersetzung mit den Motiven dieser Richtung.


Anna & Bernhard Blume - Abstrakte Kunst
22. November 2007 bis 17. Februar 2008