5. September 2017 - 4:30 / Walter Gasperi / Filmriss
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Drei Geschwister einer Winzerdynastie müssen sich nach dem Tod ihres Vaters Klarheit über ihre eigenen Rollen und die Zukunft des Familienbetriebs verschaffen. – Cédric Klapisch verbindet eine bildschöne Hommage an das Burgund und den Weinbau leichthändig mit der unaufgeregten Erkundung sich ändernder Geschwisterrollen.

Ein klassisches Motiv ist es ausgehend von der Rückkehr eines lange abwesenden Angehörigen von familiären Bruchlinien, aber auch von Verbindendem zu erzählen. Alles andere als neu ist somit die Ausgangssituation von "Der Wind und der Wein", wenn nach zehn Jahren Abwesenheit Jean (Pio Marmaï) auf das Familienanwesen ins Burgund zurückkehrt.

Einen ganz eigenen Ton bringt aber doch schon der Vorspann ins Spiel, wenn die Kamera von Alexis Kavyrchine in zahlreichen Landschaftstotalen die Schönheit dieser Weingegend im Wechsel der Jahreszeiten beschwört. Immer wieder wird sich Cédric Klapisch nicht nur für solche Panoramen Zeit nehmen, sondern auch für die Schilderung der Arbeit der Winzer vom Prüfen der Reben auf ihre Reife über die Ernte und das sich daran anschließende Fest bis zum Schneiden oder auch Ausreißen der Weinstöcke.

Fast aus den Augen zu verlieren scheint der Franzose über diese emphatische Beschwörung einer Region und ihrer Weinkultur phasenweise die Handlung, die sich vom lichtdurchfluteteten in warmes Goldgelb getauchten Sommer mit grünen Weinstöcken und reifen Trauben über den nebligen Herbst und den grauen Winter mit kahlen Weinstöcken bis zum nächsten Sommer spannt. Andererseits sind aber Land und Menschen, die in den weiten Feldern manchmal verschwindend klein wirken, eben auch untrennbar miteinander verknüpft. Nicht zufällig stellt so auch einmal Jean, der mit seinem Off-Kommentar durch den Film führt, fest: "Das Land gehört nicht nur uns, sondern umgekehrt gehören auch wir dem Land."

Diese Wurzeln wollte Jean einst kappen, sieht seine Weltreise als Flucht vor dem strengen Vater, von dem er sich gegängelt fühlte – und doch trieb es ihn nun, da sein Vater im Krankenhaus liegt, zurück. Während er von seiner Schwester Juliette (Ana Girardot) voll Freude aufgenommen wird, macht ihm sein Bruder Jérémie (Francois Civil) Vorwürfe, dass er sich während der letzten fünf Jahre nie gemeldet habe.

Neu orientieren müssen sich die Geschwister nun nach dem Tod des Vaters, müssen sich entschließen, ob sie das elterliche Anwesen behalten, teilweise oder ganz verkaufen wollen. Denn hoch ist die Erbschaftssteuer und verkaufen dürfen sie laut Testament nur gemeinsam. Gleichzeitig müssen sie sich aber auch über jeweils andere persönliche Situation bewusst werden.

Denn wie Jean einst vom elterlichen Anwesen floh, so floh er nun aus einer labilen Beziehung von seinem Weingut in Australien. Der verheiratete Jérémie wiederum muss sich aus der Dominanz seines übermächtigen Schwiegervaters befreien, während Juliette, die an ihrem Talent für den Weinbau zweifelt, Selbstbewusstsein gewinnen muss.

Leichthändig verknüpft Klapisch die verschiedenen Problemfelder, betont sie nicht übermäßig, setzt nicht auf großes Drama, sondern entwickelt sein Geschwisternporträt angenehm unaufgeregt. Fließend lässt er immer wieder kurze Erinnerungen Jeans an seine Kindheit hereinbrechen, deckt Bruchlinien auf, vor allem aber entsprechend dem Originaltitel "Ce qui nous lie" - Verbindendes, lässt das Trio Entscheidungen treffen und in seine neuen Rollen hineinwachsen.

Allzu bruchlos und glatt mögen sich hier die Probleme auflösen. Zu wenig nachhaltig mag diese Familien- und Winzergeschichte letztlich sein, eher ein leichter Sommerwein als ein schwerer Rotwein. Aber im Gespür für den richtigen Ton, der gefühlvollen, aber nie sentimentalen Erzählweise und der stimmungsvollen und bildstarken Feier des Burgunds, des Wechsels der Jahreszeiten und des Weinbaus bietet "Der Wein und der Wind" doch ein ebenso reizvolles wie sympathisches Kinoerlebnis.

Läuft derzeit im Takino Schaan und im Kinok in St. Gallen (franz. O.m.U.)
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: 15. - 20.9. 2017 (franz. O.m.U.)

Trailer zu "Der Wein und der Wind - Ce qui nous lie"

Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)

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