Der Vietnamkrieg im US-Kino

29. Oktober 2007 Walter Gasperi
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Der Vietnamkrieg - ein US-amerikanisches Trauma und gleichzeitig ein zentrales Thema des US-Kinos der 1970er und 1980er Jahre. – Mehr als über den Krieg sagen diese Filme, deren Spannbreite von Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" bis Sylvester Stallones "Rambo 2" reicht, dabei vielfach über das gesellschaftspolitische Klima aus, das zur jeweiligen Produktionszeit in den USA herrschte.

1964 haben sich die USA nach dem von ihnen provozierten Zwischenfall von Tonking militärisch in Vietnam eingeschaltet, doch neun Jahre später, im Jänner 1973, mussten sie sich aus Saigon zurückziehen. Nur John Wayne machte schon 1968 mit "The Green Berets" den Krieg zum Thema und dafür Propaganda, während in den USA selbst mit Hippie-Bewegung, "Hair" und Flower Power ("Woodstock") der Protest gegen das Vietnam-Engagement wuchs.

Eine direkte kritische Auseinandersetzung damit war zu dieser Zeit für das amerikanische Kino aber Tabu, nur in verschlüsselter Form im Gewand des Western ("Soldier Blue" / "Das Wiegenlied vom Totschlag" von Ralph Nelson, 1970) oder des Koreafilms ("MASH" von Robert Altman, 1970) wurde indirekt darauf Bezug genommen.

Auch nach Kriegsende ließ die Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Debakel auf sich warten. Zu tief waren die USA im Innersten erschüttert, nicht nur durch die Ereignisse in Fernost, sondern auch durch den nur ein Jahr später aufgedeckten Watergate-Skandal. In den traumatisierten Vietnam-Heimkehrern, vor allem in Martin Scorseses "Taxi Driver" (1976), spiegelt sich allerdings der Zustand der angeschlagenen Nation.

Erst unter der Präsidentschaft des Demokraten Jimmy Carter (1977-1981) wurde der Vietnamkrieg dann zu dem großen Thema im US-Kino. Hal Ashbys "Coming Home" (1977), Michael Ciminos "The Deer Hunter" (1978) und Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" (1979) sind die zentralen Werke dieser Phase, doch einzig Coppolas Meisterwerk ist als spezifischer Vietnamfilm anzusehen. Denn Ashbys Heimkehrerdrama steht ebenso in der Tradition von Fred Zinnemanns "The Men" (1951) wie Ciminos grandioses und atemberaubend ambivalentes Epos in der von William Wylers "The Best Years of Our Lives" (1946). Vietnam war in keinem dieser beiden Heimkehrerfilme das Thema, sondern nur die physischen und psychischen Deformationen der Kriegsteilnehmer. Und die unterschieden sich nicht wesentlich von denen des Zweiten Weltkriegs.

Nur Coppola machte mit Napalm und den omnipräsenten Helikoptern, Drogen und der Musik von Wagner bis zu den Doors Vietnam und mit TV-Teams mitten in der Schlacht diesen Krieg, der via Medien ins amerikanische Wohnzimmer übertragen wurde, annähernd erfahrbar. Alles setzte der Regisseur des "Paten" für diesen Film aufs Spiel. Wie heikel das Thema Vietnam damals noch war, zeigt sich auch darin, dass Coppola 1979 zu keinem Ende fand, in Cannes zwei Versionen präsentierte und erst 22 Jahre später eine endgültige, mehr als 50 Minuten längere Fassung vorlegte ("Apocalypse Now Redux").

Zwei Jahre später wäre dieser Film im US-Kino nicht mehr denkbar gewesen, denn nicht nur der Präsident - der Republikaner Ronald Reagan saß inzwischen im Weißen Haus -, sondern auch das gesellschaftliche Klima insgesamt hatte sich gewandelt. Amerikas Stärke wurde gerühmt und gefeiert und die US-Army intervenierte schon wieder in Lateinamerika (Grenada, 1983) und im Nahen Osten (Libanon, 1982/83). Die Geschichte wurde im Stile der Dolchstoßlegende umgeschrieben, nicht den Soldaten, sondern den Politikern wurde die Schuld an der Niederlage in Vietnam zugeschoben. Nirgends zeigt sich das deutlicher als in dem Sylvester Stallone-Vehikel "Rambo II" (1985), das Reagan vom Weißen Haus aus – im echtem oder gespieltem Glauben die Mikrofone seien abgeschaltet - der ganzen Welt als Gebrauchsanleitung für den Umgang mit Terroristen anpries. Freund- und Feindbilder waren wieder eindeutig definiert und der Kampf fürs Vaterland zum höchsten Ideal erklärt. So künstlerisch wertlos und perfid in seiner Argumentation dieser Film sein mag, nirgends erfährt man mehr über das Klima in den USA Mitte der 80er Jahre als in diesem primitiven Propagandafilm, der gleichwohl nur das berühmteste und erfolgreichste Werk einer ganzen Gruppe ähnlicher Machwerke darstellt.

Die zweite Hälfte der 80er Jahre war dann durch realistische Kriegsfilme gekennzeichnet. Oliver Stone schildert in seinem autobiographisch getönten "Platoon" (1986) zwar ernst und überzeugend die Erlebnisse einiger einfacher junger Soldaten im Dschungelkampf, kommt dabei aber wiederum über die physische Direktheit und den Abbildrealismus der Korea-Kriegs-Filme eines Sam Fuller ("The Steel Helmet") oder Anthony Mann ("Men in War") nicht hinaus. Stanley Kubrick wiederum interessierte in "Full Metal Jacket" (1986) weniger der Vietnam-Krieg als vielmehr das Militärische an sich. - Entstanden ist dadurch in erster Linie ein Kubrick-Film mit allen seinen Obsessionen und Themen und seinem unverwechselbaren Stil, aber kaum ein Vietnam-Film.

Ende der 1980er Jahre rückt dann die Bewältigung des Traumas in den Mittelpunkt. Endeten 10 Jahre zuvor "Coming Home" und "The Deer Hunter" bestenfalls ambivalent und offen, so erzählen Filme wie "Jacknife" (1989), Franklin J. Schaffners "Welcome Home" (1989) oder Oliver Stones "Born on the Fourth of July" von Kriegsheimkehrern, die wieder versuchen und lernen im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen.

Abgeschlossen wird diese Entwicklung schließlich (vorerst) durch Randall Wallaces "We Were Soldiers" (2002). Schon das Präteritum im Titel weist hier darauf hin, dass von einem abgeschlossenen Kapitel erzählt wird. In der Beschränkung auf die am Kriegsanfang stehende Schlacht im la-Drang-Tal stehen auch nicht eine Niederlage und traumatische Kriegsfolgen, sondern ein unter schweren Verlusten erkämpfter amerikanischer Sieg im Mittelpunkt. Nicht historisch beschreibend, sondern ganz klar auf die Gegenwart von 2002 ist dieser Kriegsfilm somit gemünzt: Patriotische Stimmung musste in der durch die Terroranschläge von 9/11 erschüttterten USA verbreitet werden und gleichzeitig wird der militärische Kampf gegen die Feinde amerikanischer Werte propagiert: Die Nordvietnamesen des Films dienen als Chiffre für Bushs "Achse des Bösen".