Der Ton macht die Musik!
Kennen Sie die Pariser Konzerte von Antonio Vivaldi? Der Titel lässt vermuten, Vivaldi habe sie während seiner Zeit in Paris komponiert. Mir ist jedoch nicht bekannt, dass er jemals dort gewesen sein soll. Der Grund, weshalb die Pariser Konzerte eben so genannt wurden ist sehr viel unspannender.
Vivaldis Auftraggeber nämlich, war Vinvent Languet, ein Gesandter der französischen Botschaft in Venedig, weshalb die Manuskripte dieser Konzerte in der Nationalbibliothek in Paris aufbewahrt werden. Na ja, auf jeden Fall existieren 2 der zwölf Konzerte nur in der Pariser Fassung! Zehn von ihnen findet man auch in einer Sammlung in Turin.
Wenn Vivaldi einen Auftrag erhielt, so wie jenen des Botschafters, schöpfte er aus dem Vollen! Seine Regale, Koffer oder Truhen waren nämlich voller Notenmaterial, denn Vivaldi war, das ist bekannt, ein fleißiger Kompositeur und ein gewitzter Geschäftsmann. Dabei hatte sein Vater einst ganz andere Pläne und Aufgaben für den auffallend rotschopfigen Sohn. Und es begann auch recht vielversprechend.
Man schrieb das Jahr 1693 und Sohn Antonio war 15. Die erste Station und Aufgabe, die es zu erfüllen galt, war die des "Türstehers im Römischen Reich" (Ostiarius). Es folgte Station und Aufgabe 2, die des Lesers bzw. Vorlesers der für den jeweiligen Tag vorgesehenen Schriften des Gottesdienstes (Lektor). Darauf lehrte man ihn das Hinausbeschwören vermeintlicher Dämonen, die in Menschen, Tieren, ja, gar in Orten oder Dingen vermutet wurden (Exorzist). Nachdem er auch diese Aufgabe erfüllt hatte, wurde er schlußendlich zum Akolyth. Vorausgesetzt, man verwechselt die Buchstaben nicht, handelt es sich hierbei um eine Art "Begleiter" oder "Gefolgsmann", ein männlicher Laie, der von der Kirche dazu bestellt ist, in der katholischen Kirche einen liturgischen Dienst auszuüben.
Der Gefolgsmann folgte, nämlich weiterhin tapfer dem Weg, den sein "Herr" für ihn ausgewählt hatte, wurde zunächst Subdiakon, dann Diakon, bis er 1703 die Priesterweihe erhielt. Dieser Weg hatte ihn 10 Jahre seiner Zeit gekostet. Er hatte dem Wunsch seines Vaters (nicht des heiligen) genüge getan. Zum Beweis seines guten Willens las Antonio noch ein halbes Jahr die Messe an der Kirche San Giovanni in Oleo. Dann musste er (leider) aus gesundheitlichen Gründen (so so!) das Amt aufgeben. Noch im selben Jahr, es war 1703 und Antonio Vivaldi herrliche 25 Jahre jung, wurde er zum Maestro di violino am Ospedale delle Pietà ernannt.
Von nun an durfte, ja musste er sich quasi, dem Musizieren und Komponieren widmen. So kam es also, dass aus Antonio Vivaldi jener fleißige Kompositeur wurde, der aus seinen vollen Regalen schöpfen konnte, wenn er einen Auftrag (… am besten schon für morgen!), von einem französischen Botschafter erhielt.
Er bediente sich an Vorhandenem, änderte hier, und da, ergänzte oder strich, und fügte auch Neues hinzu. Das war zu jener Zeit nicht ungewöhnlich und auch legitim.
Was er dem Botschafter lieferte waren sowohl lebendige, energievolle, sprühende als auch verträumte 12 Konzerte in je 3 kurzen Sätzen. Kurzweilig, unterhaltsam, dennoch niveauvoll. Vielleicht lauteten auch so die Vorstellungen des Botschafters, als er diese Kompositionen (es war in den 1720er Jahren) in Auftrag gab. Und genau so liefert uns das Barockorchester Modo Antiquo diese Pariser Konzerte (italienisches Label Tactus / Naxos)! Federico Maria Sardelli gründete das Ensemble Modo Antiquo 1987 und leitet es bis heute.
Es sind nicht die berühmtesten Werke des »Roten Priesters«, doch wer die Musik Vivaldis mag, dem werden diese Pariser Konzerte gefallen! Dass ich diese frischen, typischen Vivaldi-Konzerte so sehr mag liegt ganz sicher auch an der Interpretation von Modo Antiquo. Der Ton macht halt die Musik!
Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt