Der Schrecken vom Amazonas

7. Februar 2019 Walter Gasperi
Bildteil

Guillermo del Toro erklärte mit seinem Oscar-Sieger "The Shape of Water" Jack Arnolds Klassiker "Creature from the Black Lagoon – Der Schrecken vom Amazonas" seine Liebe. Bei Koch Media ist die Mitte der 1950er Jahre entstandene Trilogie um den Kiemenmenschen in einem edlen Media-Book auf Blu-ray erschienen.

Eine Geschichte des mexikanischen Kameramanns Gabriel Figueroa über einen Kiemenmenschen am Amazonas, der sich jährlich ein junges weibliches Opfer holt, soll den Produzenten William Alland auf die Idee zu diesem Film gebracht haben. Jack Arnold verschob aber die Perspektive und der deutsche Titel "Der Schrecken vom Amazonas" (1954) führt in die Irre, ist im Originaltitel doch nur von "der Kreatur" die Rede.

Wie eine Naturdokumentation über die Evolution beginnt der gerade mal 79 Minuten lange 1954 gedrehte Film und informiert über die Entstehung allen Lebens aus dem Wasser, um gleich darauf einen Forscher am Amazonas eine seltsame versteinerte Hand mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern entdecken zu lassen. Zur Untersuchung bringt er den Fund zu einem Meeresbiologischen Institut, von wo ihn drei junge Wissenschaftler zur genaueren Erforschung der Fundstätte im Dschungel begleiten.

Auf wenige Personen beschränkt sich so die Handlung und entwickelt sich beinahe ganz am abgeschlossenen Ort der Lagune. Einziges Thema ist die Konfrontation der Forschergruppe mit dem Kiemenmenschen, von dem Arnold geschickt zunächst nur Details oder einen Schatten zeigt, sein Aussehen zunächst der Phantasie des Zuschauers überlässt.

In der Konfrontation treten aber rasch die gegensätzlichen Charaktere der jungen Wissenschaftler Marc und David zu Tage. Während ersterer gleich zur Harpune greift, um das unbekannte Wesen zu jagen, möchte David diese wissenschaftliche Sensation nur fotografieren und am Leben erhalten.

Zentrale Figur ist aber die junge Kay, in die sich die Kreatur verliebt. Legendär ist die ebenso erotische wie poetische Szene, in der sie in einem hautengen weißen Badeanzug, der ihren Körper noch betont, in der Lagune schwimmt, während parallel dazu unter Wasser der Kiemenmensch schwimmt und sie beobachtet. Großartig wechselt Arnold zwischen Unterwasseraufnahmen mit der Perspektive des Kiemenmenschen und Bildern von der nichts ahnenden jungen Frau.

So unübersehbar diese Szene auch Steven Spielberg bei "Jaws – Der weiße Hai" (1975) beeinflusst haben muss, so unübersehbar ließen sich Arnold und sein Co-Drehbuchautor Arthur A. Ross von "King Kong" ("King Kong und die weiße Frau", 1933) beeinflussen. Hier wie dort wird die auch aus "Die Schöne und das Biest" bekannte Geschichte von einem furchteinflößenden und scheinbar wilden, in Wahrheit aber feinfühligen und liebenden Wesen und einer schönen Frau erzählt.

Arnold übernimmt die Perspektive der Kreatur und stellt die Forscher als Aggressoren dar. Der Kiemenmensch will nur seinen Lebensraum verteidigen, in den die Forscher eingedrungen sind. Diese wiederum sehen im Fremden zumindest teilweise sofort eine Bedrohung, die gejagt und getötet werden muss.

Hier spiegelt sich freilich die in den 1950er Jahren in den USA verbreitete Angst vor dem Fremden, speziell vor dem Kommunismus, aber auch vor der Atombombe, die sich in dieser Zeit auch in Filmen über Invasionen Außerirdischer oder Bedrohung durch Riesenspinnen ("Tarantula") oder Riesenameisen ("Them" - "Formicula") äußerte.

Schon vor Beginn der Dreharbeiten zu "Creature" war ein Sequel geplant, das ein Jahr später mit "The Revenge of the Creature" ("Die Rache des Ungeheuers"), der hier schon ausführlich vorgestellt wurde, folgte. Mit "The Creature Walks Among Us" ("Das Ungeheuer ist unter uns") folgte 1956 noch ein dritter Film über den Kiemenmenschen, bei dem aber nicht mehr Arnold, sondern John Sheridan Regie führte.

Wieder macht sich darin eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern zusammen mit der Frau eines von ihnen auf, um den Kiemenmenschen zu fangen. Schauplatz ist aber nicht mehr der Amazonas, sondern die Everglades von Florida, in die die Gruppe mit einer deutlich luxuriöseren Jacht als im ersten Film vordringt.

Das Verhältnis von Jäger und Gejagten scheint zwar zu kippen, doch schließlich gelingt es den Wissenschaftlern den Kiemenmenschen, der durch einen Brand seinen Schutzpanzer verliert, zu ergreifen. Weil seine Kiemenatmung zerstört ist, aktivieren sie durch eine Operation seine Lungenatmung, doch nun kann die Kreatur nicht mehr unter Wasser leben.

Wie "Creature from the Black Lagoon" überzeugt "The Creature Walks Among Us" durch die weitegehende Beschränkung auf das Schiff als Schauplatz und auf wenige Figuren. Allerdings gewinnen einerseits diese Figuren kein Profil und bleiben schablonenhaft, andererseits fehlt auch das erotische Moment des Originals. Auch fehlen die Andeutungen, mit denen "Creature" arbeitet und der durch die Verbrennungen veränderte Kiemenmensch enttäuscht gegenüber dem ersten Film.

Echte Spannung kommt so kaum auf und auch die Frage, ob dieses Wesen je nach Milieu sich zum Guten oder zum Schlechten entwickeln kann, und dass das gefährlichste Tier immer noch der Mensch ist, mit der letztlich die Kreatur des Titels gemeint ist, wird aufgesetzt diskutiert und nicht differenziert herausgearbeitet. – Umso heller lässt freilich dieser schwache Abschluss der Trilogie Arnolds Original strahlen, dessen Thema des Umgangs mit dem Fremden ja auch Guillermo del Toro in seiner Hommage "The Shape of Water" in den gesellschaftspolitischen Kontext der USA der frühen 1960er Jahre verlegte.

An Sprachversionen verfügen die drei bei Koch-Media erschienenen Blu-ray über die englische Original- und die deutsche Synchronfassung. Bei "Creature from the Black Lagoon" gibt es Untertitel in diesen beiden Sprachen, bei den beiden Sequels nur englische Untertitel. Die Extras umfassen neben Trailer, Bildergalerie und zudem Super-8-Fassungen zu den beiden Sequels vor allem zu allen drei Filmen einen sehr informativen und profunden – aber nur beim ersten Teil deutsch untertitelten - Audiokommentar des Filmhistorikers Tom Weaver. Unter anderem beleuchtet er die Entstehung der Filme, widmet sich ausführlich der Filmmusik, bietet Einblick in die Kameraarbeit mit den zahlreichen Unterwasseraufnahmen und zeigt auf, wie einzelne Szenen an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten gedreht und dann das Material erst durch die Montage zusammengefügt wurde.

Trailer zu "The Creature from the Black Lagoon - Der Schecken vom Amazonas"