Der Schrecken schleicht durch die Nacht

28. März 2019 Walter Gasperi
Bildteil

In seinem letzten Horrorfilm für die Universal-Studios variierte Jack Arnold 1958 die Geschichte von Dr. Jekyll and Mr. Hyde und bringt auch wieder das aus seinem Klassiker "Der Schrecken vom Amazonas" bekannte Spiel mit urzeitlichen Wesen. Bei Koch Media ist dieses typische B-Movie auf Blu-ray erschienen.

Für eine lange Exposition bleibt in den Filmen von Jack Arnold nie Zeit. Bei einer Filmlänge von 70 bis 80 Minuten muss man rasch zur Sache kommen. Mit wenigen Einstellungen sind Milieu und Protagonisten vorgestellt: An einer Universität wird ein urzeitlicher Fisch aus Madagaskar - ein Coelacanth - angeliefert, während der Anthropologe Donald Blake den Gipsabdruck einer Frau erstellt, um damit die Modelllinie der menschlichen Entwicklung vom frühzeitlichen zum modernen Menschen abzuschließen.

Wenn Blake dabei über die Ambivalenz des Menschen reflektiert, über die dünne Schicht der Zivilisation unter der immer noch der gewalttätige Trieb des frühen Menschen schlummert, ist schon das Leitmotiv des Films vorgegeben.

Zunächst wird freilich – wie so oft in Horrorfilmen – ein gutmütiger Schäferhund, der vom blutigen Wasser, in dem der Coelacanth lag, trank, plötzlich aggressiv. Bald wird aber auch der Anthropologe durch eine Verletzung, die er sich am Gebiss des Fisches zuzieht, verwandelt und ermordet eine Frau. Er selbst weiß aber nichts von der Tat, erwacht erst danach wieder als normaler Mensch scheinbar aus einem tiefen Schlaf.

Geschickt spart Arnold den Anblick des in einen frühzeitlichen Menschen verwandelten Blake lange auf, zeigt nur einen Schatten oder dessen Hand, andererseits schadet der Spannung freilich, dass der Zuschauer im Gegensatz zu den Charakteren schon früh im Bilde ist, was los ist. – Spannung kann der Film folglich nur durch die Frage generieren, wann und wie Blake wiederum zuschlägt und wie die Vorgänge aufgeklärt werden.

Reizvoll ist, wie hier auch eine Libelle durch Saugen am Coelacanth infiziert wird und ins Riesenhafte wächst. Die Tricktechnik bewegt sich zwar auf bescheidenem Niveau, dennoch strahlen diese Szenen einigen Charme aus.

Ganz bei sich ist Arnold, der mit einem Telefonat Blakes mit einem Doktor Moreau, der den Coelacanth aus Madagaskar lieferte, auch an H. G. Wells "Die Insel des Doktor Moreau" anknüpft, bei diesem Thema der Mutationen, die schon in Filmen wie "Tarantula" und "The Incredible Shrinking Man" im Zentrum standen. Wie dort erscheint auch hier als Ursache letztlich die Behandlung des urzeitlichen Fisches mit radioaktiver Strahlung – in diesem Fall zur Konservierung. Andererseits kennt man Arnolds Interesse für urzeitliche Wesen, die sich irgendwie in die Gegenwart gerettet haben, auch aus seinem Klassiker "Der Schrecken vom Amazonas".

Hier ist freilich das Böse, das Aggressive und Gewalttätige nicht mehr das Fremde, sondern es schlummert eben wie in Robert Louis Stevensons "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" im Protagonisten selbst. An Blake führt Arnold seine Vorstellung von der im Menschen schlummernden Aggression vor. Wie Ödipus wird er sich selbst auf die Suche nach dem Täter machen, bis er – ebenfalls wie die tragische antike Figur – erkennt, dass er selbst der Täter ist, und als Strafe für seine Taten selbst den Untergang sucht.

Geschickt kommt diese Ambivalenz des Menschen zum Ausdruck, wenn Arnold in Überblendungen die Verwandlung des kultivierten und freundlichen Blake in das behaarte affenähnliche und aggressive Wesen und umgekehrt zeigt. – Untrennbar scheinen diese gegensätzlichen Komponenten im Menschen miteinander verbunden.

Dennoch zählt "Der Schrecken schleicht durch die Nacht" kaum zu den großen Filmen Arnolds. Auch er selbst schätzte ihn nicht. Zu überraschungsarm ist insgesamt die Handlung, unterhaltsam ist dieser B-Film dank seiner ökonomischen Erzählweise dennoch.

An Sprachversionen bietet die bei Koch Media erschienene Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie englische Untertitel. Die Extras umfassen Interviews mit Jack Arnold zu diesem Film sowie zu seiner Karriere, den deutschen und den englischen Trailer sowie eine Bildergalerie und den deutschen Vorspann.

Trailer zu "Der Schrecken schleicht durch die Nacht"