Der Mann mit dem Hut, in den es hineinregnete

21. Dezember 2011 Rosemarie Schmitt
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Wind- und Flötenspiel, beides liebte er mit großer Leidenschaft. Wenn er liebte, so liebte er leidenschaftlich, und wen er liebte, darüber wird allzu gerne leidenschaftlich spekuliert. "Es gibt nur ein sicheres und unfehlbares Mittel, sich einen guten Ruf in der Welt zu erhalten: nämlich das wirklich zu sein, was man vor der Welt scheinen möchte", sagte er! Er hatte Größe, die nicht in Zentimetern zu messen war.

Eine seiner ganz großen Lieben waren Hunde. Sie haben alle guten Eigenschaften des Menschen, ohne gleichzeitig ihre Fehler zu besitzen, behauptete er. Und ganz besonders liebte er Windspiele, jene grazile, sanfte, zerbrechliche, treue und stets ein wenig frierende Hunderasse. Friedrich hatte fünfzehn von ihnen. Sie hießen Alcmene, Thisbe, Diana, Phyllis, Gigas, Pax, Superbe, Hasenfuß, Amourette, Arsionoe oder auch Biche, und sie mussten von den Bediensteten mit Sie angesprochen werden. Die Windspiele aßen von Tisch und niemals erging es einem von ihnen wie dem bedauernswerten Julien Offray de La Mettrie, der an einer Magenverstimmung verschied, nachdem er an der Tafel Friedrichs eine Pastete gegessen hatte.

Wie groß die Trauer des Gastgebers gewesen ist wurde nicht überliefert, was dessen Betrübnis, nach dem Tode seiner Hündin Biche betrifft, davon zeugt ein Brief vom 29. Dezember 1752 , den er an seine Schwester Wilhelmine schrieb:

"Liebste Schwester! (…) Ich war beschämt, daß der Tod eines Hundes mir so nahe geht, aber das häusliche Leben, das ich führe, und die Treue des armen Tieres hatten es mir so ans Herz wachsen lassen. Sein Leiden hat mich so erregt, daß ich offen gestanden, niedergeschlagen und traurig bin. Soll man hart sein? Soll man gefühllos sein? Ich glaube, ein Mensch, der gegen ein treues Tier gleichgültig sein kann, wird gegen seinesgleichen nicht dankbarer sein, und wenn man vor die Wahl gestellt wird, ist es besser, zu empfindsam als hart zu sein."

Eine weitere seiner Lieben galt einem Windspiel gänzlich anderer Art: der Flötenmusik. Diese eine seiner Leidenschaften ist wahrlich kein Geheimnis mehr, und es wurde bereits beinahe zu Genüge darüber geschrieben. Doch wurde, und dessen bin ich mir sicher seit ich diese CD-Einspielung besitze, ganz sicher bisher nicht genügend darüber gehört! Es liegt einerseits an der wunderbaren Auswahl und Zusammenstellung der Kompositionen, und andererseits an dem Soloflötisten. Ein wahrer Flöten-König ist er, Emmanuel Pahud, der zum 300. Geburtstag des "Alten Fritz" aufspielt. Gemeinsam mit Trevor Pinnock und der Kammerakademie Potsdam entführt er die Zuhörer mitten hinein in die farbenfrohe, lebendige, zauberhafte Welt des Barock am Hofe von Sanssouci (deutsch: ohne Sorge).

Kaum etwas vermag das Lebensgefühl jener Zeit eindrucksvoller und lebendiger zu vermitteln als diese Werke von Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach, J. Quantz, F. Benda, Anna Amalia von Preussen, J.F. Agricola und Friedrich dem Großen selbst. (FlötenKönig – Emmanuel Pahud – Friedrich der Große – eine Widmung / 2 CD/ EMI-Classics / Vertrieb: Q-rious music).

Am 24 Januar 1712 wurde er geboren, in den frühen Morgenstunden des 17. August 1786 starb Friedrich der Große gegen 2 Uhr. Eine seiner letzten bewußten Äußerungen soll die Bitte oder der Befehl gewesen sein, Superbe (eine seiner Hündinnen) mit Kissen zu bedecken, da diese friere. Um sich machte er nicht gar so viel Aufhebens:

"Ich will, daß nach meinem Tode keine Umstände mit mir gemacht werden. Man soll mir nicht öffnen, sondern stille nach Sanssouci bringen und in meinem Garten begraben lassen."

Emmanuel Pahud gilt als einer der führenden und vielseitigsten Flötisten unserer Zeit, doch hört man diese Hommage an Friedrich II., so glaubt man, Pahud käme niemals Anderes in den Sinn, als die Musik aus der Zeit des Barock zu spielen. Es klingt als lebe er diese Musik, und diese Musik mit ihm. Es klingt wunderbar, majestätisch und wahrhaft königlich. Obschon Pahud bereits eine Menge Auszeichnungen und Preise verliehen wurden, eine ganz besondere fehlt ihm gewiß: ein Hut! Genauer gesagt, einen jener Hüte, in die es hineinregnet!

"Eine Krone ist ein Hut, in den es hineinregnet." (Friedrich der Große)

Ich wünsche Ihnen wundervolle, friedliche und fröhliche Weihnachten!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt