Der "Indianermaler" Karl Bodmer

Das Nordamerika Native Museum (NONAM) der Stadt Zürich zeigt noch bis 8. November 09 in der Sonderausstellung "Karl Bodmer – ein Schweizer Künstler in Amerika" die faszinierenden Bilder des berühmten Zürcher "Indianermalers" Karl Bodmer. Die Bilder sind in ihrer Art einzigartig und gehören weltweit zu den wichtigsten Dokumenten über die Indianerkulturen am oberen Missouri.

Wer im frühen 19. Jahrhundert eine Reise unternahm, hatte noch keinen Fotoapparat im Handgepäck. Auch nicht Prinz Maximilan zu Wied, der 1832 eine "Reise in das innere Nord-America" plante. Wie aber sollte er seine Berichte für die Wissenschaft dokumentieren? Er fand den jungen Zürcher Maler Karl Bodmer und nahm ihn mit auf ein grosses Abenteuer bei den Indianern am Oberen Missouri. Die Expedition dauerte 28 Monate.

Während der Prinz sein Tagebuch schrieb und für seine Sammlung Naturalien zusammensuchte und Gegenstände von Indianern erwarb, skizzierte und aquarellierte Bodmer mehr als vierhundert Indianer-, Landschafts- und Tierbilder. Seine detailgetreuen Skizzen und Aquarelle, die später in einen monumentalen Reisebericht mit 81 meisterlichen Kupferstichen integriert wurden, sind bis heute unübertroffen und gelten als Höhepunkt in der bildnerischen Darstellung fremder Völker.

Allerdings wäre es eine fahrlässige Verkürzung, wenn man Bodmer, wie es leider allzu oft geschieht, auf den "Indianer-Bodmer" reduzierte. Seine Landschaftsdarstellungen sind in ihrer künstlerischen Qualität weit mehr als hoch stehende Dokumentationen der unberührten Landschaften Amerikas im 19. Jahrhundert. Sie sind auch wertvolle Zeugnisse der ersten einschneidenden Veränderungen durch das Vordringen der weissen Zivilisation. Das gesamte Originalwerk Bodmers, das sich heute in den USA befindet, gehört dort dank einer weiten Verbreitung bis hin in die Schulbücher zum kulturellen Gedächtnis der amerikanischen Nation. Leider ist Bodmer in seiner Heimatstadt weitgehend in Vergessenheit geraten. Was allerdings mit dieser Ausstellung im NONAM korrigiert werden sollte, die quasi als Weltpremiere sowohl Bodmers volle Reihe der 81 Kupferstiche seiner Reise als auch Originalobjekte, die Prinz Maximilan zu Wied mit nach Europa brachte, vereint.

Tagtäglich begegnen wir Fremden – auf der Strasse, im Tram, im Treppenhaus. Wir nehmen sie kaum noch wahr, denn die meisten wirken nicht viel anders als wir selbst. Als der Zürcher Maler Karl Bodmer in den Jahren 1834 bis 1836 zum ersten Mal in seinem Leben Indianern gegenüberstand, erging es ihm ganz anders. Sie waren fremder als alles, was er bis dahin gesehen hatte, und er begann sie zu malen. Akribisch genau im Detail und doch mit dem unverkennbaren Blick eines Europäers seiner Zeit. Karl Bodmers Werke prägen unsere Wahrnehmung der indianischen Kulturen bis heute. Der Zürcher war nicht der einzige "Indianermaler" im 19. Jahrhundert. Verglichen mit anderen Darstellungen aber strahlen die Menschen, die er porträtierte, Individualität und Nobilitierung aus. Also appellierten sie an die Sehnsucht nach dem Bild des Indianers als "nobel savage". Und fanden dann, oft stark vergröbert, Verbreitung in allen damals aufkommenden Printmedien. Ironischerweise wurden auf diese Weise die Individuen, die Bodmer dargestellt hatte, zum Stereotyp des Indianers.

Weder Bodmer noch Wied arbeiteten im luftleeren Raum. Der Naturforscher Wied dachte und arbeitete interdisziplinär. Er forschte als Geologe, als Zoologe und als Botaniker, und diese naturwissenschaftlichen Studien sind für ihn zugleich die "schönsten aller Studien". Schön kann der zu studierende Gegenstand sein, und schön ist besonders die Beschäftigung damit. Wissenschaft und Ästhetik sind nicht zu trennen bei diesem Universalgelehrten.

Der Künstler Bodmer hatte sein Handwerk ganz solide bei seinem Onkel J. J. Meyer aus Meilen, einem etablierten Landschaftsmaler, erlernt. Das 19. Jahrhundert war die Zeit der grossen Bildungsreisen. Es herrschte enormer Bedarf an Illustrationen bekannter Reisedestinationen. In diesem Feld konnte sich nur behaupten, wer die Techniken der Landschaftsdarstellung, der Perspektive und der Lichtführung beherrschte. Bodmer war so gut, dass er aus dem Feld der namenlosen Vedutenmaler herausragte und die Aufmerksamkeit des Gelehrten Wied auf sich zog. Beide, der Künstler und der Wissenschaftler, arbeiteten auf höchstem Niveau, in Wieds Reisebericht wird immer wieder seine Hochachtung vor dem jungen Maler ausgesprochen.


Karl Bodmer – ein Schweizer Künstler in Amerika
8. Februar bis 8. November 2009