Der geteilte Himmel

Wirtschaftswunder und Bau der Mauer, Kuba-Krise und Vietnam-Krieg, Sputnik und Apollo, Kennedy und Mao – schroffe Kontraste und harte Fronten prägten die ereignisreichen Jahre zwischen 1945 und 1968. Die bildende Kunst dieser Zeit war von der Atmosphäre des "Kalten Krieges" und den damit verbundenen politischen Ideologien erheblich beeinflusst. Ost und West trennten vor allem zwei große Wege, die Figuration und die Abstraktion. Die offene Struktur der abstrakten oder auch informellen Kunst verklärte der Westen zum Symbol der Freiheit.

Auch die darauf folgende Pop-art war keineswegs zufällig in den Großstädten des Westens entstanden, wo man die Phänomene der Massenproduktion und des ausufernden Konsums direkt vor Augen hatte. Im Ostblock wiederum stellte der sozialistische Realismus einen elementaren Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen dar. Hier geriet der Mensch zum Maßstab aller Dinge, wurde die "conditio humana" von den Künstlern und Künstlerinnen in den Mittelpunkt ihres Schaffens gestellt. Aber auch innerhalb der ideologischen Systeme ergaben sich scharfe Konfrontationen: die internationale Künstlergruppe COBRA agierte gegen eine erstarrte Kultur der 50er Jahre, die amerikanische Minimal Art entstand als direkte Antwort auf die als zu banal empfundene Pop Art.

Unter dem Titel "Der geteilte Himmel" (benannt nach einem Roman von Christa Wolf) stellt die Neue Nationalgalerie die Hauptpositionen dieser Epoche vor. Werke von Ernst Wilhelm Nay, Willi Baumeister, Fritz Cremer, Werner Tübke, Asger Jorn stehen neben Arbeiten der großen Leitfiguren Picasso, Bacon, Dubuffet, Rauschenberg, Warhol oder Beuys. Die alten Fronten bleiben als hart umkämpfte Themen in der Präsentation sichtbar. Der Blick geht jedoch betont über alle Grenzen hinweg und richtet sich auf übergreifenden Kunstideen. Im Mittelpunkt des "geteilten Himmels" stehen die internationalen Diskrepanzen: das Nebeneinander der Stile und Künste, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Das leuchtende Blau von Yves Klein erscheint neben den amerikanischen Farbfeldmalern, die Monumentalität von Henry Moore trifft auf den Expressionisten Georg Baselitz oder die Farbraum-Malerei des Deutschen Karl Georg Pfahler, auf die Anonymität der Minimal Art, der Hyperrealismus eines Duane Hanson auf den sozialistischen Realismus von Willi Sitte.

Der zeitliche Bogen, der in der Neuen Nationalgalerie von der Nachkriegskunst bis in die tief greifenden Umwälzungen der 1960er Jahren geschlagen wird, macht deutlich, wie sehr sich die Kunst auch medial erweitert hat: elektrische Bewegung, Lichtkunst, Happening und Performance, Film und Video werden Teil der Kunst. So endet die Ausstellung mit den ersten Raum-Installationen, die um 1968 entstehen, und die eine weitere Dimension des künstlerischen Schaffens andeuten. Der Bau der Neuen Nationalgalerie schließlich gehört selbst zu den herausragenden Exponaten: er wurde 1968 als letztes Werk des Architekten Mies van der Rohe eröffnet.

Nach "Moderne Zeiten" und "Der geteilte Himmel" wird im Jahr 2013 ein dritter und letzter Teil zur Kunst des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie folgen.

Der geteilte Himmel. Die Sammlung. 1945 – 1968
11. November 2011 bis zum Frühjahr 2013

Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
D 10785 Berlin-Tiergarten