Der gelbe Tintenfischmutant

30. Dezember 2013 Kurt Bracharz
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Es gibt in der Küche immer wieder modische Zutaten, 2012 beispielsweise war es das Austernkraut, nach dem jetzt, ein Jahr später, kein Hahn mehr kräht. In diesem Winter ist es die Fingerzitrone "Buddhas Hand", die in den Gourmetzeitschriften vorgestellt wird, damit sie auf Märkten und in Restaurants auch den Leuten verkauft werden kann, die sonst von ihrem bizarren Aussehen zurückschrecken könnten.

Diese zu den Zitronat- oder Zedratzitronen (Citrus medica, im Unterschied zur allgemein bekannten Zitrone Citrus limon) gehörende Frucht mit dem wissenschaftlichen Namen Citrus medica var. sarcodacylis ist in Süd- und Ostasien seit langer Zeit weit verbreitet, wird dort aber weniger in Speisen als vielmehr wegen ihres intensiven Zitrusgeruchs zur Parfümierung von Räumen und Kleidungsstücken sowie bei religiösen Zeremonien eingesetzt.

"Buddhas Hand" schmeckt nicht sauer und ist zur Gänze genießbar, man könnte sie also beispielsweise quer durchschneiden und die ganze Scheibe einfach so verzehren, ohne auch nur das Gesicht verziehen zu müssen. Die Rinde kann mittels Zestenreißer oder durch Schaben gelöst werden, und das Albedo schmeckt nicht bitter (Albedo ist das vor allem bei Orangen und Grapefruits auffällige weiße Mesocarp, normalerweise zwischen Schale und Fruchtfleisch, bei "Buddhas Hand" aber das gesamte Fruchtinnere).

Saft gibt "Buddhas Hand" wie alle Zitronatzitronen nicht ab, es ist ja kein Fruchtfleisch vorhanden. Wenn man die Fingerzitrone beispielsweise zu Fischgerichten einsetzt, hobelt man einfach ein paar Scheibchen von den "Fingern" auf den Teller. Auch zum Aromatisieren von Drinks oder Tee verwendet man sie wie die Scheiben von Zitronen oder Limetten, wobei aber eben nur die gelbe Schale ihren Geruch und Geschmack abgeben kann und das Albedo in keiner Weise stört. Natürlich kann man Scheiben dieser Zedratzitrone kandieren, und auch als Chutneybestandteil ist sie gut geeignet.

Im "Falstaff" 08/13 empfahl Heinz Reitbauer vom "Steirereck" in Wien: "Ich würde einen Teil hauchdünn aufschneiden, mit ganz wenig Salz und Olivenöl gemeinsam mit Bittersalaten, zum Beispiel Chicorée, als Salat servieren, vielleicht noch eine gegarte Pastinake oder Petersilienwurzel dazu. Und dann würde ich die Segmente nicht zu grob schneiden und in 30-prozentigem Zuckersirup mit einem Schuss Limoncello einkochen."

Eine amüsante Beschreibung des Äußeren der Fingerzitrone findet man in Linda Bladholms "The Asian Grocery Store Demystified", Los Angeles 1999, p. 90: "It is a close relative of the lemon and resembles a mutant yellow squid or bunch of gnarled bananas. Finger-like segments splinter from the bottom of the fruit, as if the hole thing is exploding from within."