Der Freibrief

7. Dezember 2011 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Sollten Sie den portugiesischen Fado bisweilen gerne nutzen um zuverlässig Ihre jährliche Winterdepression zu pflegen, dann lassen Sie bloß die Finger weg von dieser CD: Sina Nossa (unsere Bestimmung) ist nicht nur der Name des Ensembles, sondern ein Hinweis darauf, daß es eben ihre Bestimmung ist, die traditionelle portugiesische Musik – und ohne jeden Zweifel gehört der Fado dazu - weiterzuentwickeln, auf ihre eigene, besondere Weise.

Eine Frau und fünf Männer, sie leben in Unna und haben ihre Wurzeln in Portugal, Brasilien und Deutschland: Anabela Ribeiro, Armindo Ribeiro, Jorge Rodrigues, Ivo Guedes, Adélio Lopes, André De Cayres und Andre Krengel (wer von ihnen stammt aus Deutschland?).

Der Fado (Schicksal, göttlicher Wille) ist Weltschmerz in Reinform. Die Liebe (selbstverständlich nur die unglückliche), die Sehnsucht, die Verzweiflung, Trauer, Missstände in Moll, all dies gehört zum Fado. Ein Gefühl das über Melancholie weit hinaus geht und für das nur die Portugiesen ein Wort haben: Saudade.

"Geh hinaus, und sag mir nicht, daß du gehen mußt. Geh, laß deinem Körper dem folgen, das schon längst gegangen ist...". Dies sind die ersten Worte des Titels "Alforria", der auch namensgebend für das Album war (erschienen bei Peregrina Music / Vertrieb Inakustik).

Oh, wie könnte man diese Zeilen mit Wehmut füllen, schmachtend, leidend, anklagend und bedauernswert darbringen, oh wie schön traurig könnte es doch sein, würde nicht Armindo Ribeiro die Musik dazu komponiert haben. Von wegen Molltöne für die Mülltonne! Anabela Ribeiros Stimme klingt nicht nur sinnlich, "mollig" weich und sanft, sondern willensstark, frech, trotzig und hoffnungsvoll zugleich. Diese Stimme, ein unvergleichlicher Rhythmus und die Wahl der Instrumente, prägen die Musik von Sina Nossa.

Mittlerweile komponiert das Ensemble seine Lieder selbst und neben eigenen Texten vertont die Gruppe auch solche von längst verstorbenen Lyrikern wie beispielsweise Fernando Pessoas "Cansa sentir quando se pansa" (es macht so müde, beim Nachdenken zu fühlen).

In der Gattung Weltmusik ist Sina Nossa für mich die Entdeckung des Jahres!

"A quem dar coração?" (Wem soll man sein Herz schenken?): "Ach wie kompliziert ist es eine Entscheidung zu treffen, so viele Männer zur Auswahl, welchen soll ich nehmen?" (Anabel Ribeiro)

Oh, welch ein Dilemma! Gäbe es doch nur... einen Freibrief?

Aber gerne! Und diesen gebe ich Ihnen hier, heute und jetzt schriftlich:
"Alforria" (Freibrief) von Sina Nossa.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt