18. September 2019 - 8:00 / Rosemarie Schmitt / Musikuß

Giacomo Puccini ist einer der größten Opernkomponisten. Basta. Ist es nicht wunderbar, dass die Handlung seiner ersten Oper sowohl im Schwarzwald, als auch in Mainz angesiedelt ist?!

Die Grundlage des Librettos findet sich in einer deutschen Volkssage, in der die Elementargeister Willis eine, im wahren Sinne des Wortes, elementare Rolle spielen. Bereits 1834 erwähnte Heinrich Heine in seinem Werk diese Geister. Die Oper basiert jedoch auf der erstmals 1835 veröffentlichten Erzählung Les Willis von Alphonse Karr.

Puccini war 26 Jahre jung, als Le Villi in Mailand zum ersten Mal aufgeführt wurde. Das Libretto schrieb Ferdinando Fontana. Kurz und gut! Ja sogar ausgesprochen gut gefällt mir diese Oper! Zwei Akte voller Leben, wundervoller Musik und einer fantastischen Geschichte in etwa einer Stunde! Es gab Komponisten, die brauchten Stunden, um solch einen Stoff zu vertonen! In der Kürze liegt die Würze. Dies trifft es bei Le Villi auf den Punkt!

Die Willis, jene Naturgeister, werden als Gruppenwesen beschrieben und überwiegend mit dem Wasserelement verbunden. Allerdings treten sie auch in Wäldern, auf dem Feld und im Gebirge auf. Es sind Bräute, die vor der Hochzeit gestorben sind und im Grab keine Ruhe finden. Mit ihnen zu tanzen ist für einen Mann lebensgefährlich. In den Volkserzählungen sind Willis schöne Mädchen mit durchsichtigem Körper und langen Haaren. Verlieren sie auch nur ein einziges Haar, bedeutet dies ihren Tod. Ihre Tanzplätze in den Wäldern sind am niedergetretenen oder hochgewachsenen Gras zu erkennen oder an Pilzen oder Erdbeeren, die im Kreis wachsen. Sie zu betreten gilt als gefährlich!

Sind es nicht beeindruckende und faszinierende Wesen, diese Willis?!

Personen der Handlung in Puccinis Le Villi
Guglielmo Wulf, Bariton
Anna, seine Tochter, Sopran
Roberto, ihr Verlobter, Tenor
Erzähler, Sprechrolle
Bergbewohner, Willis und andere Geister

Erster Akt

Eine Waldlichtung mit Guglielmos Haus. Frühling.
Die Bergbewohner feiern die Verlobung von Anna und Roberto. Von ihnen erfährt man, dass eine Tante Robertos in Mainz (!) gestorben ist, ihm ein reiches Erbe hinterlassen hat und Roberto noch heute dorthin aufbrechen muss. Er möchte wissen, ob was zu holen ist (so ist er halt, dieser Roberto!). Guglielmo wird zum Tanz aufgefordert. Er tanzt mit einem Mädchen hinaus und die anderen folgen ihm.

Kurz darauf kommt Anna mit einem Strauß Vergissmeinnicht zurück, und steckt ihn in Robertos Tasche. Roberto kommt und wünscht sich darüber hinaus ein Lächeln, aber sie ist traurig und voller Zweifel (Frauen ahnen alles. Sie irren nur, wenn sie denken, sagte Alphonse Karr!), auch als er verspricht, in wenigen Tagen wieder zurück zu sein. In einem Duett versichern sich beide ihrer gegenseitigen Liebe. Es wird Zeit für Roberto aufzubrechen. Er bittet Guglielmo und seinen Segen, verabschiedet sich von allen und macht sich auf den Weg nach Mainz, was mich als Rheinland-Pfälzerin gleichermaßen erstaunt wie erfreut!

Intermezzo

Teil 1 (in der Art eines Melodrams)

Ein Erzähler berichtet, dass Roberto in Mainz von einem leichten Mädchen verführt wurde und Anna vergessen hat. Sie wartet vergebens bis zum Winter auf seine Rückkehr. Dann stirbt sie vor Kummer. Sie erinnern sich? Willis sind Bräute, die vor der Hochzeit gestorben sind und im Grab keine Ruhe finden.

Währenddessen sieht man durch einen Vorhang Annas Trauerzug und hört den Chor der den Zug begleitenden Frauen.

Teil 2

Der Erzähler trägt nun die Sage von den Willis vor, von untreuen Liebhabern verlassene Mädchen, die aus Liebeskummer gestorben sind. Sie erscheinen nachts im Wald zum Tanzen und um auf den ungetreuen Liebhaber zu warten. Sie tanzen dann mit ihm, bis er vor Erschöpfung stirbt.

Auch Roberto sei diese Nacht, nachdem er von dem leichten Mädchen verlassen wurde, reumütig zurückgekehrt und befände sich nun schon mitten im Wald.

Im Orchester erklingt la tregenda, der Hexensabbat. Langsam wird das Bild des ersten Aktes wieder sichtbar. Die Willis und Irrlichter kommen von allen Seiten und schweben über die Bühne hinter die Kulissen.

Zweiter Akt

Bild wie im ersten Akt. Nacht im Winter.
Guglielmo sitzt traurig vor seinem Haus. Er wünscht, dass die Sage von den Willis doch wahr wäre und die Seele seiner Tochter sich an dem untreuen Liebhaber rächen würde. Doch dann betet er, dass Gott ihm den erbarmungslosen Gedanken, der seinem blutenden Herzen entsprang, verzeihen möge und geht ins Haus.

Man hört die Stimmen der Willis, die das Kommen Robertos ankündigen.

Dieser erscheint, verängstigt, und will die vermeintlich eingebildeten Bilder von Willis, die anscheinend seiner reumütigen Stimmung entspringen und ihn verfolgen, verjagen. Er hofft, dass Anna noch lebt, versucht an Guglielmos Tür zu klopfen, doch seine Hand wird unsichtbar zurückgehalten. Auch Beten gelingt ihm nicht, er bringt nur einen Fluch über die schändliche Kurtisane heraus.

Dann hört er Anna hinter den Kulissen. Einen Moment glaubt er, sie sei nicht tot. Doch dann erscheint sie (als Willi) und erklärt, sie sei nicht mehr die Liebe, sondern die Rache.

Sie erinnert ihn an seine Treueschwüre und wirft ihm vor, sie getötet zu haben.

Nun weiß er, dass seine Stunde geschlagen hat. Wie von unsichtbaren Mächten wird er zu Anna hingezogen, die ihn an sich drückt. Die Willis kommen, tanzen wild um das Paar und verschwinden dann, ihm zurufend, dass sie auf ihn warten.

Roberto macht sich los und eilt zu Guglielmos Tür, aber die Willis verfolgen ihn und Anna versperrt ihm in der anderen Richtung den Fluchtweg. Sie ergreift ihn erneut und tanzt mit ihm und den Willis einen rasenden Tanz, bis er zu ihren Füßen zusammenbricht. („Es geschieht ihm Recht!“ Dieser Gedanke ist unvermeidbar, sieht man sich als Frau diese Oper an!). Die verschwindenden Geister singen Hosianna. Guglielmo tritt aus dem Haus, findet den toten Roberto und ruft aus: „Oh, gerechter Gott“.

Man müßte die Liebe genießen, wie man Fisch ißt:
Ohne die Gräten zu schlucken.

(Alphonse Karr)

Im August 2019 veröffentlichte Dynamic/Naxos eine moderne Inszenierung dieser, wie ich finde ebenso wundervollen wie fantastischen Oper Le Villi als Blu-ray. Aufgezeichnet am 25. Oktober 2018 im Teatro del Maggio Musicale in Fiorentino (San Marino)

Es sind überaus genussvolle 70 Minuten. Ob Sie nun hinschauen mögen oder nicht. Beim Hinschauen- und Hören werden Sie indes das für Puccini so Typische erleben. Sie werden seine Oper verstehen, ohne den Text zu kennen. Häufig lege ich diese Blu-ray ein, „nur“ der Musik wegen.

Und bei jedem Male denke ich, wie bedauerlich es doch ist, dass diese Oper Puccinis so selten Erwähnung und Beachtung findet. Selbstverständlich hören wir bei Le Villi einen noch sehr jungen, unerfahrenen Puccini (er war 26!), doch wir hören ihn auf dem Weg zu seinen größten Opernerfolgen wie La Bohéme oder Madama Butterfly. Ich jedenfalls höre den typischen und fühle den sehr leidenschaftlichen Puccini in Le Villy.

Apropos Puccini hören und fühlen:

https://www.rosemarieschmitt.de/reise-blog/zu-gast-bei-puccini

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt



  •  18. September 2019 /
Giacomo Puccini, Le Villi
Giacomo Puccini, Le Villi
Die für mich schönste Illustration einer Wila , Quelle Wikipedia, Autor Agnieszka Kwiecien
Die für mich schönste Illustration einer Wila , Quelle Wikipedia, Autor Agnieszka Kwiecien