Der Bildschirm als "Fenster zur Welt"

Der Fotograf, Medienkünstler und -theoretiker Günther Selichar arbeitet seit mehr als 35 Jahren an Themen rund um die Vermittlung, Technik, Wahrnehmung und Präsentation von Bildern. Dabei analysiert er die Wechselwirkung zwischen Mensch und medialer Maschine.

Mit einem sowohl wissenschaftlichen als auch philosophischen Blick beobachtet der Künstler die durch Massenmedien gefilterte Wahrnehmung der Wirklichkeit. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Bildschirm als "Fenster zur Welt", der unseren Alltag durchdringt und uns nur einen vermeintlich unverstellten und unbegrenzten Blick auf das wahre Geschehen ermöglicht. Neben dem Monitor stehen auch das mediale Licht und der Scanner, als standardisiertes Eingabemedium, im Zentrum der Auseinandersetzung.

Die Ausstellung im Museum der Moderne Salzburg auf dem Mönchsberg schlägt einen Bogen von frühen Arbeiten zu aktuellen Werken. Mit seiner reduzierten und minimalistischen Arbeitsweise fügt der Künstler der Geschichte der Abstraktion einen wesentlichen medialen Aspekt hinzu. Auf abstrakte Kunst bezieht sich etwa die "Hommage à Franz Kline/Aaron Siskind" von 1985. Zu sehen sind scheinbar gestische schwarze Pinselstriche, wie sie aus dem Werk des Malers Kline bekannt sind – tatsächlich handelt es sich um das stark vergrößerte Schriftbild des von Selichar in Versalien geschriebenen Titels.

Neben Bezügen zur Kunstgeschichte spielt Humor eine Rolle in Selichars Werk, was auch bei der Videoarbeit "GT Granturismo" deutlich wird, wo die Windschutzscheibe eines Autos nach wenigen Minuten an ein Drip-Painting von Jackson Pollock erinnert: Im Jahr 2001 gab es viel mehr Insekten als heute, und ihre blutigen Spuren sehen aus wie die Farbspritzer und -flüsse auf Pollocks abstrakt-expressionistischen Gemälden.

"The Double You Series" entstand in den Jahren 2020 bis 2022. Es handelt sich um Farbabbildungen eines Monitors. Zu lesen sind die Fragen "Who?", "What?", "Where?", "When?" und "Why?". Sie strukturieren die Recherchearbeit von Journalist:innen und den Aufbau ihrer Texte. Selichar möchte dazu anregen, über Fakten nachzudenken, die mittlerweile häufig von Narrativen abgelöst werden.

Eine neue, eigens für das Museum der Moderne Salzburg entwickelte Arbeit von Selichar präsentiert sich seit kurzem an der seitlichen Fensterfront des Museums auf dem Mönchsberg vor dem Amalie-Redlich-Turm. Dieses Werk kann aus zwei Blickwinkeln erlebt werden: von der Außenseite, also der Skulpturenterrasse, und von der Innenseite des Museumsgebäudes, aus der Ebene 2. Die Arbeit mit dem Titel "Who’s Afraid of Blue, Red and Green?" ist eine knapp vier mal zehn Meter große Lochblechwand, die sich auf das Bildseitenverhältnis von Super Panavision 70 bezieht, jenes monumentalen Kinobreitwandformats, das zu den eindrucksvollsten audiovisuellen Erfahrungen in der Geschichte der Massenmedien zählt. Die drei medialen Grundfarben Blau, Rot und Grün, denen wir im Werk von Selichar immer wieder begegnen, bilden die Basis aller Monitorbilder. In der Malerei sind es die Grundfarben Rot, Gelb und Blau, aus denen alle Farben mischbar sind. Der Titel der Arbeit zitiert eine berühmte Tafelbildserie des Malers Barnett Newman "Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue".

Besonders heute, in einer zunehmend durchdigitalisierten Lebenswelt und angesichts der Allgegenwart von Bildschirmen, machen uns Selichars Werke unsere Abhängigkeit von Maschinen bewusst und fordern dazu auf, unser Verhältnis zu ihnen zu überdenken.

Günther Selichar
Schirmherrschaft
Kurator:innen: Kerstin Stremmel, Andrea Lehner-Hagwood
Bis 12. März 2023