Der Bart als Zeichen

Die Gesichtsbehaarung gilt seit jeher als sekundäres männliches Geschlechtsmerkmal. Ihre Natürlichkeit steht im Kontrast zur modischen Formgebung, die aus dem urwüchsigen Sprießen ein (Selbst-)Bild voller sozialer und sexueller Bedeutungen macht. Während im Unterschied zur wuchernden Behaarung der "Wilden" und Deklassierten der gepflegte Bart jahrhundertelang als Symbol von Macht, Würde und Weisheit verstanden wurde, dient der Bart von heute vor allem als Ressource des Selbstausdrucks.

Dieser kündet im Dreitage-Bart von einer rebellischattraktiven Angepasstheit oder signalisiert im wuscheligen Bio-Bart den Wunsch nach Authentizität. Zugleich kann der Bart aber auch Projektionsfläche für ethnische und kulturelle Stigmatisierungen sein. Zudem steht die ausdrucksvolle Behaarung im Dienst des Milieu- und Genderkonstruktivismus – vom ironischen Porno-Proll-Schnauzer der Hipsters bis zum queeren Vollbart der Anti-Hipsters.

Die Ausstellung "Vollmilch" versucht herauszuarbeiten, inwieweit diese Modelliermasse der Performativität subversive Kraft entfalten kann. Künstlerinnen wie Eleanor Antin, Katrina Daschner, Marlene Haring oder Ingeborg Strobl stören mit ihren feministischen Umdeutungen die symbolische Ordnung des bärtigen Gesichts. Künstler wie Johann Neumeister, Paul DeFlorian oder die Gruppe General Idea spielen mit der Ikonografie der Bärte, während Tobaron Waxman, Oreet Ashery, Adrian Piper oder das Kollektiv ekw14,90 den Verhandlungsspielraum um klar benennbare nationale, ethnische und religiöse Bezüge erweitern.

KünstlerInnen: Eleanor Antin, Oreet Ashery, Claude Cahun, Gunter Damisch, Katrina Daschner, Paul DeFlorian, ekw14,90, General Idea, Grinderman, Marlene Haring, Zoe Leonard, Scott Matthew, Moon Duo, Johann Neumeister, Adrian Piper, Jonathan Daniel Pryce, Coco Rosie, Ingeborg Strobl, Tobaron Waxman, u. a.

Vollmilch
Der Bart als Zeichen
26. Oktober 2012 bis 17. Februar 2013