Dazwischen ist Mittendrinn

Farbe und Ornament sind die beiden Eckpfeiler, mit denen sich Ben Hübsch in seiner künstlerischen Arbeit auseinandersetzt. Diese beiden Orientierungspunkte bestimmen seinen Umgang mit der Fläche, dem Bildraum und dem Verhältnis von Figur zu Grund. Das Ornament bietet mit seiner repetitiven auf Punkt- oder Achsensymmetrie basierenden Struktur eine neutrale Basis für das Durchspielen unterschiedlicher Farbbeziehungen. Durch die klare auf mathematischen Grundregeln aufgebaute Systematik des Ornaments ist die Findung der Komposition eingeschränkt, alle Bildteile werden einer einzigen Gesetzmäßigkeit unterworfen, die ihre Gleichbehandlung garantiert.

Nicht durch die Komposition, sondern erst durch den Einsatz der Farbe wird aus einem mehr oder weniger komplexen Grundgerüst ein bisweilen pulsierender Farbraum. Zwei unterschiedliche Konzepte lassen sich im Werk von Ben Hübsch unterscheiden. Die älteren Bilder sind geprägt durch einen einfachen, strengen Bildaufbau. Mit farbigen gerade verlaufenden Bändern, die auf der Bildebene miteinander verschränkt werden, konstruiert der Künstler eine ausgeklügelten Farbkomposition. Trotz vieler Überschneidungen und dem Hervortreten bzw. Zurückspringen bestimmter Farbpartien ist die Fläche nicht bloß Ort einer Komposition, sondern auch deren Ziel.

Die Interaktion der Farbe spielt sich hier auf der Oberfläche des Bildes ab. Neben der Abstufung verschiedener Farbtöne, vom Hellocker zum Dunkelbraun beispielsweise, treten starke Farbkontraste, die das Bild akzentuieren. Ein Neongelb hebt sich von einem dunklen Violett ab oder eine himmelblaue Fläche findet ihre gespiegelte Konterpart in einem quietschenden Rosa. Ben Hübschs Bilder folgen einer Logik, dessen Regeln er selbst aufgestellt hat, die aber bisweilen durch die Eigendynamik der Farben zu einer schwer im voraus zu berechnenden Bildlösung führen und im Prozess des Machens eine eigene Dynamik entwickeln.

Bei aller Systematik, die der bildnerischen Struktur zugrunde liegt, ist die Malerei von Ben Hübsch weit entfernt von der asketischen Strenge konkreter Kunst. Ben Hübsch scheut keine unorthodoxen Farbkombinationen, immer steht das lustvolle Ausbreiten der Farben und der mutige Umgang mit neuen Pigmenten im Vordergrund. Als Maler legt der Künstler großen Wert auf die Handwerklichkeit der Malerei. Die Ränder werden nicht abgeklebt, sondern frei Hand mit dem Pinsel gezogen. Dies führt zu leichten Unregelmäßigkeiten, die die Oberfläche beleben, die das Bild lebendig machen.

Bei den neueren Bildern führt der Künstler eine weitere Komponente in das Bild ein: Die scharf konturierten Bänder werden nun durch einen lasierenden Farbnebel hinterfangen. Plötzlich öffnet sich die Bildfläche nach hinten in einen diffusen Farbraum. Mit einer ausgefeilten Nass-in-Nass Malerei werden sanfte Farbübergänge und verwischte Ränder möglich. Die Farbbänder sind nun nicht mehr an die Bildoberfläche gebunden, sondern scheinen frei vor der lasierenden "unscharfen" zweiten Malebene zu schweben. In Schwingungen versetzt scheinen sie die Bildränder links und rechts zu überschneiden. Die gesamte Bildfläche ist in Bewegung geraten und wird von einem Pulsieren durchzogen.

Mit den neuesten kleinformatigen Arbeiten verlässt Ben Hübsch vertrautes Terrain und wendet sich neuen Techniken und Ausdrucksmitteln zu. Die Farbbänder im Vordergrund sind verschwunden, das Zentrum des Bildes liegt frei. Verschiedene Oberflächenstrukturen vermitteln unterschiedliche haptische Qualitäten. Einmal erinnert ein matter Farbauftrag an Pastellkreide, ein anderes Mal wird durch mehrmaliges Abschleifen und wieder Auftragen von Farbschichten die Webstruktur der Leinwand sichtbar gemacht. So wird die Transparenz der Farbe, ihre Durchlässigkeit gesteigert. Der Prozess des Malens erscheint hier als archäologischer Vorgang, als eine Art Freilegung des Lichts. Dieser Eindruck wird verstärkt durch einen zentrifugalen oder -petalen Aufbau der Farbe. Es geht eine Sogwirkung von diesen Bildern aus, die bisweilen als bedrohlich empfunden werden kann.

Das Ornament als Referenz ist nur noch als Hintergrundrauschen auszumachen. Mir scheint hier ein neuer Weg eingeschlagen, der eine verschüttete unterdrückte Seite der gegenstandslosen Malerei aufzeigt. So gesehen kommen mir diese Bilder wie die andere Seite der fest verorteten "Balkenbilder" vor. Sie sind unbestimmt, bleiben in der Schwebe, geben keinen Halt. Kosmisches oder auch Biomorphes wird evoziert. Plötzlich stellt sich ein ganze Reihe von Assoziationen an die Gegenstandswelt ein. Die Selbstreferentialität des Ornaments tritt hier teilweise zurück zugunsten des fremdreferentiellen Aspekts der Figur. Nikolaus Bischoff

Dazwischen ist Mittendrinn
18. März bis 17. April 2010