David Wark Griffith - Der Dickens des Kinos

Der 1875 in Kentucky geborene David Wark Griffith hat mit seinen Filmen Anfang des 20. Jahrhunderts die Erzählweise der neuen Kunstform entscheidend geprägt. So reaktionär und rassistisch sein Epos "Birth of a Nation" auf der inhaltlichen Ebene war, so revolutionär war die Form. Das Österreichische Filmmuseum widmet diesem "Dickens des Kinos" eine Retrospektive.

495 Filme hat D. W. Griffith im Laufe seines Lebens gedreht – und das, obwohl Hollywood 1931, den gerade mal 56-Jährigen quasi in den Ruhestand versetzte. Vergessen wurde er und starb verbittert 1948 in einem Hotelzimmer in Los Angeles.

Unbestritten ist aber längst sein Einfluss auf die Filmkunst, Eisenstein und Pudowkin ließen sich bei ihrer Montagetechnik von Griffith beeinflussen, Parallelmontage, dramaturgischer Einsatz der Großaufnahme, Spannung erzeugende Rettung in letzter Sekunde hat er, wenn nicht erfunden, so doch als erster meisterhaft eingesetzt.

Als 20-Jähriger verließ Griffith Kentucky, wurde Mitglied einer Wanderbühne und begann 1908 zunächst als Schauspieler bei der Firma Biograph, schrieb bald auch Drehbücher und drehte noch innerhalb dieses Jahres rund 50 Einakter. Allein bis 1914 entstanden unter seiner Regie für die Biograph über 400 Filme, 1912 der ersten Zweiakter, ab 1913 auch etwas längere Filme. Bis 1931 folgten 31 Langfilme.

Beeinflusst vom italienischen Monumentalfilm ("Cabiria", "Quo Vadis") drehte er 1913 mit "Judith of Bethulia" den ersten amerikanischen Vierakter, ehe er 1915 mit "Birth of a Nation" ein umstrittenes Meisterwerk schuf. Kommerziell wurde das Epos ein großer Erfolg, gerühmt wurde sogleich die filmische Virtuosität, scharfe Kritik rief aber die unverhohlene Diskriminierung der Afroamerikaner hervor.

Auf die zum Teil heftige Reaktion reagierte Griffith mit dem Monumentalfilm "Intolerance" (1916), in dem er vier Geschichten in einer furiosen Parallelmontage entwickelte und verknüpfte: Der Bogen spannt sich vom Fall Babylons über die Leidensgeschichte Christi und die Bartholomäusnacht, in der 1572 französische Katholiken die Hugenotten massakrierten, bis zur Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und einem Industriellen.

Inhaltlich mag die Gleichsetzung der Ereignisse problematisch sein, doch wie Griffith mit der Montage einen assoziativen Strom von Bildern schafft, in dem Zeit und Raum aufgehoben werden, ist ein künstlerischer Kraftakt, mit dem sich nur wenig in der Filmgeschichte messen kann. Kaum verwundern kann es freilich, dass dieser Appell zur Toleranz zur Zeit des Ersten Weltkriegs, in den auch die USA ein Jahr später eintraten, kaum ein Publikum fand.

Von den Großprojekten dieser Art, wandte sich Griffith in den folgenden Jahren ab, gründete 1919 mit Mary Pickford, Douglas Fairbanks und Charles Chaplin die United Artists und drehte selbst kleinere Melodramen. In "Broken Blossoms" (1919) erzählte er mit einer famosen Lillian Gish in der Hauptrolle von Ausbeutung und Erniedrigung im frühindustriellen London, in "Isn´t Life Wonderful?" (1925) blickte er auf die von der Inflation geplagte Weimarer Republik.

Im veränderten gesellschaftlichen Klima der 1920er Jahre konnte er mit diesen Filmen mit ihrem naiven Gut-Böse-Schema trotz großer filmischer Qualitäten aber keinen wirklichen kommerziellen Erfolg mehr landen. Und auch die Amerika feiernden Epen "America" (1924) und "Abraham Lincoln" (1930) erfreuten sich nur geringer Beliebtheit. Als auch sein zweiter Tonfilm "The Struggle" (1931) an der Kinokasse floppte, war es um seine Karriere geschehen – und die Studiobosse gaben dem 56-Jährigen keine weitere Chance.