Das Selbstbildnis - Schiele und die Folgen

Ausgangspunkt dieser Ausstellung in der Albertina Modern sind Egon Schieles bahnbrechende Körper- und Selbstbildnisse, die ihn als glücklosen, ausgestoßenen Künstler zeigen. Schiele löst sich von bildnerischen Traditionen und kommt zu einer theatralen Selbstinszenierung in Körpersprache, Gestik und Mimik. Selbstentblößung, Rollenspiel, Charakter- und Lebensanalyse stehen im Vordergrund seiner Selbstthematisierung als Künstler, während die Frage der Ähnlichkeit und Wiedererkennbarkeit des Dargestellten in den Hintergrund tritt. Durch größtmögliche Schonungslosigkeit und Abwendung vom Schönheitskult der Secession in Wien um 1900 bereitet Schiele den Boden für nachfolgende Künstlergenerationen.

Seiner Neuinterpretation der Kunstgattung Selbstbildnis werden zwölf Künstlerinnen und Künstler des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt. Georg Baselitz, Günter Brus, Adriana Czernin, Jim Dine, Valie Export, Elke Krystufek, Maria Lassnig, Karin Mack, Arnulf Rainer, Eva Schlegel, Cindy Sherman und Erwin Wurm erforschen in ihren Selbstporträts ebenfalls ihr tiefstes Inneres und blicken dabei hinter die Kulissen bloßer Selbstinszenierung.

Das Selbstbildnis gilt seit Jahrhunderten als jene Kunstgattung, die Einblicke in das eigene Ich erlaubt. Es ist das gattungs- und bildmäßige Äquivalent für das Psychogramm: die Autobiografie der Künstlerin oder des Künstlers. Eine Aussage über das innerste Wesen, den Charakter und die jeweilige Verfasstheit des Kunstschaffenden wird in den wenigsten Selbstbildnissen getroffen, die vom späten 15. Jahrhundert bis zur Moderne entstanden, wären da nicht einige Ausnahmeerscheinungen wie allen voran Albrecht Dürer und Rembrandt. Dürers Selbstbildnis als Dreizehnjähriger – das erste abendländische Selbstporträt – lässt den Stolz eines selbstbewussten Künstlers erkennen, der sich vom Status des Handwerkers entfernt hat.

Über einhundert Selbstporträts – ein für das 17. Jahrhundert außergewöhnliches Sujet – schuf Rembrandt im Lauf seines Künstlerlebens. Er ist sein stets verfügbares Modell und erprobt die unterschiedlichsten Haltungen, Kostümierungen und Gemütszustände auch zu Studienzwecken. Mit den Jahren thematisiert er zunehmend den eigenen Alterungsprozess.

Geht es ab der frühen Renaissance, als die Nachfrage nach individuellen Porträts der Reichen und Mächtigen stieg, vor allem um Ähnlichkeit und Wiedererkennbarkeit – von realistischen Darstellungen bis hin zu idealisierenden, heroisierenden Selbstdeutungen –, kommt es bei Egon Schiele zur Selbstthematisierung als Künstler. Die Frage der Ähnlichkeit tritt in den Hintergrund. Vielmehr stehen Selbstentblößung, Rollenspiel, Charakter- und Lebensanalyse sowie das Theatrale im Zentrum des Selbstbildnisses.

Schiele und die Folgen
10. September 2021 bis 23. Jänner 2022
Kuratorin: Elisabeth Dutz