Precious Okoyomons Arbeiten bewegen sich zwischen Kunst, Poesie und Performance. Sie beschäftigen sich mit Identität, Kolonialgeschichte, Spiritualität und der Beziehung des Menschen zu Dingen und der belebten Umwelt. Dabei verbinden sich intime persönliche Fragen mit politischen und gesellschaftlichen Themen.
Einem breiten Publikum wurde Okoyomon durch Installationen bekannt, die organische Materialien wie Erde, Pflanzen und Tiere einbeziehen. Für die Biennale von Venedig 2022 verwandelte Okoyomon eine Halle des Arsenale in ein üppig wucherndes Ökosystem. Ausladende Skulpturen, dicht wachsende Schlingpflanzen, geschwungene Wege und kleine Wasserläufe in tropischer Atmosphäre schufen einen Erlebnisraum, der Naturprozesse mit afrofuturistischen Visionen verband - und zugleich die Migrationsgeschichte der Pflanzen und ihre Verdrängung thematisierte.
Für das Kunsthaus Bregenz wurden mehrere neue Arbeiten entwickelt, die sich mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen. Im Erdgeschoss erinnern zwei Praxisräume an die psychoanalytische Praxis von Carl Gustav Jung. Möbel aus der Zeit um 1900 schaffen eine heimelige und zugleich sachliche Atmosphäre. "Existential Detectives" in verzierten Laborkitteln treten mit den Besucher:innen in Dialog und stellen Fragen zu Träumen, Erinnerungen und verborgenen Gefühlen. Fragebögen und Aquarellfarben laden die Besucher:innen ein, mit ihren Bekenntnissen still zum Kunstwerk beizutragen. In einem Regal stehen Bücher zu Themen wie Liebe, Kochen, Philosophie und arabische Poesie, aber auch Werke von Édouard Glissant, der in seinem Werk auf die kreative Wechselwirkung zwischen den Kulturen verweist. Das Muster der Tapete zeigt Zeichnungen von Precious Okoyomon. Die hybriden Figuren mit ihren großen Köpfen, puppenhaften Körpern und flammenden Augen wirken verträumt und dämonisch zugleich. Sie laden dazu ein, in die Tiefen der eigenen Psyche einzutauchen.
Für die Ausstellung von Precious Okoyomon wurden die Stiegenhäuser des Kunsthauses Bregenz verdunkelt. Eine zusätzlich eingezogene Decke verengt den Gang nach oben und schafft ein neues, beklemmendes Raumgefühl.
Im ersten Stock hängen Stofftiere an Schlingen von der Decke. Aus gebrauchten Stofftieren gefertigt und mit echten Federn versehen, wirken sie wie Engel, kindlich-verspielte Wesen, die ein zerstörerisches Schicksal ereilt hat. Wie so oft in Okoyomons Werk geht es um Träume und Hybridität, Zerbrechlichkeit und Zuneigung, Sorge und Schmerz. Kuscheltiere beschützen Kinder, sie sind Gefährt:innen und Freund:innen, spenden Trost und dienen als Projektionsfläche kindlicher Fantasien.
Ein riesiger Teddybär im zweiten Stock liegt vergessen am Rand eines rosafarbenen Plüschteppichs. Seine tropfenförmigen Augen, die Herzen an seinen Pfoten und sein trauriger Blick laden zu selbstvergessenen Momenten und Tagträumen ein. Begleitet wird die Installation von Musik der Soundkünstlerin Takiaya Reed, deren sphärische Klänge tranceartige Zustände fördern und den Übergang in die Welt der Tagträume begleiten - jenen schwebenden Zustand zwischen Wachen und Schlafen, in dem sich die Gedanken auflösen und lebhafte innere Bilder entstehen.
Im obersten Geschoss des Kunsthaus Bregenz finden sich die Besucher:innen in einem abgeschlossenen Garten wieder. Neben verpuppten Raupen in der Metamorphose schwirren bereits geschlüpfte Schmetterlinge durch die Luft. Außerhalb des feuchtwarmen Lebensraums flimmert ein Film, der einen Flug über die Vorstädte von Okoyomons Heimatstaat Ohio zeigt. Er wurde für die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz produziert, Okoyomon selbst steuert das Flugzeug und ruft laut seine eigenen Gedichte in den Himmel. Die Bilder vermitteln ein Gefühl von Grenzenlosigkeit und Freiheit. Charakteristisch ist die Vorstellung eines Ichs, das sowohl die Dinge als auch das Leben in der Welt als spirituell angereicherte Quelle der Inspiration begreift. Die Besucher:innen sind gezwungen, hinter dem Netz - bei den Schmetterlingen - zu bleiben.
Neben raumgreifenden Installationen hat sich Okoyomon mit Gedichten einen Namen gemacht, die oft in Performances eingebettet sind. In seinem zweiten Gedichtband "But Did You Die?", der 2024 veröffentlicht wurde, versucht Okoyomon den Kräften struktureller Gewalt, die uns umgeben, mit Lebendigkeit und Unfug zu widersetzen. Die Gedichte sind zart, ungeschönt und naiv - ebenso intim wie beunruhigend.
Precious Okoyomon (*1993, London) ist ein:e nigerianisch-amerikanische:r Dichter:in und Künstler:in. Sie lebt und arbeitet in Brooklyn, New York.
Precious Okoyomon
One either loves
Oneself or knows
Oneself
1. Februar bis 25. Mai 2025